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Kapitel Drei
Die Axas (Agha)
Die Axas sind sogenannte
kurdische „Fürsten“, die mehrere Dörfer besitzen und diese Dörfer
an Landlose Bauern für erschwingliche Preisen, die die Bauer
normalerweise nicht bezahlen können, verpachten. Die Pächter
dürfen zwar dort wohnen, sie haben aber meistens keinerlei
Anspruch aufs fruchtbare Land. Man darf nicht meinen, dass diese
armen Menschen arbeitslos sind, weil sie kein eigenes Land
besitzen, ganz im Gegenteil. Sie müssen dafür, dass sie dort
wohnen dürfen, das ganze Jahr über sehr hart arbeiten, damit die
immer hungrigen Bäuche ihrer „Herren“ (dem Axa und seine Banden)
satt werden. Und wenn diese unglücklichen keine Feldarbeit und
ähnlichen zu erledigen haben, dann müssen sie auf Raubzügen
gehen, andernfalls das Dorf verlassen.
Die Axas werden auch zu Recht
für die aktuelle politische Lage des kurdischen Volkes
mitverantwortlich gemacht. Sie bekämpfen die kurdischen
Kleinbürger auf zweierlei Weise.
1.
Sie
gehen selber gegen sie vor.
2.
Sie
gehen an der Seite der herrschenden Regierung gegen ihre eigenen
Volksgenossen vor.
Die Axas sind traditionell,
eng mit der Herrschenden Regierung der jeweiligen Länder
verbunden. Sie sind diejenigen, die bis jetzt immer wieder dazu
beigetragen haben, dass die Versuche des kurdischen Volkes das
druckende Joch, das auf ihr Schulter lastet abzuschuteln, jedes
Mal brutal und blutig niedergeschlagen wurden. Sie übernehmen
jedes Mal die Führungsspitze der sogenannten „Dtschasch“, für das
kurdische Volk „die Verräter“ und gehen jedes Mal Seite an Seite
mit dem Militär gegen die kurdischen Aufstände vor. So ist es
auch momentan nicht anders. Hier ein Beispiel: Wehrend ein Sohn
von Şehmus Çelebî, Süleyman Çelebî im türkischen Parlament als
„Volksvertreter“ verweilt ist sein Vater in Midyat der Chef von
den sogenannten „Dorfschützern“= (türk.= Köy Korucusu). Viele
Mordtaten, die wehrend den Krieg zwischen der „PKK“ und der
türkische Militär an die unschuldigen kurdischen Zivilisten
ausgeübt wurden, werden diese Banden, die von der türkischen
Regierung bezahlt und bewaffnet werden zugeschrieben. Die größte
Belohnung für diese „Tyrannen“ ist wahrscheinlich, dass sie für
ihre Verbrechen an die wehrlosen und unschuldigen Menschen
unbestraft davon kommen und dass sie ungehindert, unter dem
türkischen Militärschutz, mit ihr Tyrannei weitermachen
können.
Solange die Kurden die Sklaven
der Sklaven bleiben, werden sie für ihren dauerhaften Kampf gegen
die Unterdrückung auch nie einig.
Das haben viele kurdische
Politiker schon früher erkannt, und zum Kampf gegen die „Axa“
aufgerufen. Sie waren, aber bis jetzt, nicht in der Lage diese
Ketten der Sklaverei zu brechen. Von fremden Völkern verfolgt zu
werden ist sehr Schlimm und schwer zu ertragen, aber von
Angehörigen des eigenen Volkes verfolgt zu werden ist bei weitem
schlimmer und unerträglicher, weil die Gründe, wenn überhaupt
welche gibt, auch für die Täter erniedrigend und unbegreiflich
sein mussten.
Seit der Ausbruch der
bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den Kurden und Türken
(1984) und seit dem Şêxmus Çelebî zu dem Anführer der sogenannten
„Dorfschützer“, die am Anfang fast ausschließlich aus den Reihen
der gesuchten Mörder und Räuber rekrutiert wurden, ernannt wurde,
ist in dieser Region eine Reihe zahlloser Verbrechen an der
wehrlosen Bevölkerung verübt worden, ohne dass nach dem Täter
gefahndet wurde, so, dass die Fälle bis zum heutigen Tag
ungeklärt geblieben sind. Diese Verbrecherbanden bekämpften
nicht nur die bewaffneten kurdischen Guerilleros, sondern
terrorisieren auch die einfachen kurdischen Bauern (die
Bevölkerung), aber am liebsten die, die nicht zu seiner Linie
gehören. Seit 1984 bis heute - solange darf er offiziell im
Auftrag des Staates ohne Konsequenzen Menschen verschwinden und
sie toten lassen, hat er getan was er tun könnte und wollte. Und
solange werden Menschen in der Region umgebracht ohne das der
Mörder offiziell erkannt, geschweige ihre Taten von der Polizei
aufgeklärt werden.
Wer waren die wahre „Herrscher“ von Tur Abdin?
Ich habe oben bereits einige
Namen erwähnt, aber ich mochte diese Herrschaften näher bekannt
machen und einige ihre Taten, gegen die Êzîdî näher erläutern.
Die Moslems machen häufig die
Êzîdî dafür verantwortlich, dass die noch agierenden Axas so
stark waren und sind.
Ob das gegen die Êzîdî als
Vorwürfe geltend gemacht werden kann oder nicht, hängt davon ab,
wie man es interpretiert. Wenn man sagt, dass die Axas durch
Ausrauben und Plünderung von Êzîdî reich und mächtig geworden
sind, und wenn man auch hinzufügt, dass sie ihre Privatarmeen aus
Êzîdî rekrutierten und sie zur Plünderungen und zum Ausrauben der
Übrigen zwangen, dann stimmt das, was man den Êzîdî vorwirft.
Aber wenn man die Êzîdî dazu
beschuldigen will, dass sie die Axas freiwillig unterstützt haben
und sich so an die Unterdruckung der Anderen schuldig gemacht zu
haben, dann ist das eine böse Unterstellung, die von der Realität
weit entfernt ist.
Bereits im 19. Jahrhundert
siedelte sich eine von seinen Verwandten ausgestoßenen
moslemische Kurden-Familie aus dem Dorf Zaxuran in die von Êzîdî
und Christen dicht besiedelte Region um Midyat an. Man nannte sie
Kurê Osmên, die Söhne von Osman. Bald darauf (1837) ist der Emir
von Bothan, Bedirxan Beg gegen die Dörfer der Êzîdî und Christen
in Tore (Tur Abdin) gezogen, mit dem Ziel alle nicht Muslimen
auszurotten, wenn sie sich weigern dem von Mohammed verkündeten
„rechten Weg Gottes“ zu volgen. Mit anderen Worten: Er wollte die
von Mohammed gestiftete Religion den Anderen, die noch kein
Mohammedaner waren aufzwingen. Seiner Meinung nach dürfte außer
Mohammedaner kein anderes Volk im Bereich seiner Herrschaft
existieren. Er hat unter denjenigen, die sich zu Wehr setzten,
ein fürchterliches Blutbad angerichtet. Um den sicheren Tod zu
entgehen haben auch viele Überlebende sich, zum Schein, Bekehren
lassen. Als Zeichen seines Sieges über die „Ungläubigen Êzîdî“
hat er einen „Mizgeft“ = (kurdisch: der Name für das Gebetshaus
der Moslems) in dem, zu der Zeit das größte ezidisches Dorf,
Bacin errichtet und lies dort einen Mella (kurd. Vorbeter)
zurück, damit er die Neubekehrten in Koran anweist und aus ihnen
„fromme Mohammedaner“ macht. - Diese Gebäude (Moschee) existiert
heute noch. Für die übrigen überlebenden reichte es, wenn sie
sich öffentlich zum Islam bekannten.
Viele Êzîdî sind tatsächlich
zum Islam übergetreten. Sie sind gewaltsam dazu gezwungen worden
und sind dann geblieben z. B. die Familie Kûcco aus Xerabya und
viele aus der Familie Şifqetî und auch welche aus Bacin und Taqa
die von Êzîdî ebenfalls namentlich erwähnt werden.
Die Mehrheit von Êzîdî blieb
ihre alte Religion treu und übten ihre ezidische Religion weiter,
zunächst im geheim und nachdem die Feinde sich zurückgezogen
haben und die Gefahr vorüber war, diese auch wie gewöhnt weiter
aus.
Alleine der Êzîdî-Clan
Alireşana, die später das Dorf Denwan gebaut haben, klagte über
mindestens 50 männliche Opfer dieses Krieges. Der Emir von Bothan
hat sie in Badibê, ein christliches Dorf, das südlich von Midyat
liegt, getötet.
Unter welchen Umständen, die
ausgestoßene Osmansfamilie zum Axa ernannt worden ist, konnte ich
nicht genau in Erfahrung bringen. Vermutlich waren sie schon
damals, so hinterhältig und verbündeten sich, zum Leidwesen von
Êzîdî und Christen, mit dem Emir von Bothan, und auch damals, wie
jetzt, verrieten sie die verstecke der Geflüchteten Êzîdî und
Christen an dem heranrückenden Heer des Fürsten. Als Belohnung
wurden sie zu den Herren über die neu islamisierte Region gekrönt
und haben den Beinamen Axa bekommen. Von nun an konnte kein
Anderer ihnen diesen Namen streitig machen.
Um das erreichen zu können
entwickelten sie folgende Strategien.
1.
Kein
Mensch dürfte reicher werden als sie.
2. Jeder der es Wagen
sollte sich ihnen entgegen zu stellen musste sterben.
3. Sie kollaborierten mit
jedem, der über ihrem Gebiet regierte. Z. B. am Anfang mit Emire
(Fürsten) von Bothan gegen die „Ungläubigen“ und später mit
Türken gegen das kurdische Bevölkerung und Aufständischen.
Von Osman selber wird nicht
viel erzählt, aber dafür um so mehr von seiner Nachkommenschaft.
Sie sind zu einer wahren Heimsuchung der Êzîdî und Christen des
Tur Abdin geworden. Jeder in seiner Zeit und jeder übertraf
seinen Vorgänger auf die grausamste Art und Weise. Sie fingen
zunächst mit der Suche nach strategisch wichtigen Ortschaften an
und nahmen es/ sie im Besitz.
Serhan I. Wählte das
Êzîdî-Dorf Bahmin aus und besetzte es. Das Dorf war für Diebe und
Verbrecher wie geschaffen. Sein Verwandter Çelebî Axa nahm das
Christen-Dorf Mizîzex und der andere Vetter von ihnen, Hacco Axa
nahm das mitten in den schwer zugänglichen Bagog-Berge liegendem
Christen-Dorf Badib in seinen Besitz. Und damit war das Schicksal
von Êzîdî und Christen besiegelt. Natürlich ist das alles nicht
von heute auf Morgen geschehen. Alles kam langsam aber sicher.
Von nun an hatten sie mehr als
genug Zeit, um beinahe ungestört ihre Hände in das Blut der
„Ungläubigen“ zu waschen. An den Händen dieser Herrschaften klebt
das Blut von unzähliger und unschuldiger Menschen. Sie haben
unzählige Frauen vergewaltigt und ihnen ihre Seele beraubt.
Sie haben unzählige Familien
ganz ausgeraubt und das meistens nicht ohne vorher den Hirten zu
töten, wenn er sich nicht rechtzeitig durch die Flucht retten
konnte. Mit solchen Massenrauben sollten zwei Ziele erreicht
werden. Erstens sich selber damit bereichern und zweitens die
Gegner ins Ruin treiben, um so sie daran zuhindern reich zu
werden. Sonst könnten sie auf die Idee kommen sich gegen ihre
Peiniger zu lehnen. Dass die Folgen für die Geschädigten
verheerend waren und die Familien sich über Generationen hinaus
davon nicht erholten, kann man sich leicht erdenken.
Mit anderen Worten
beschrieben: die Axas fühlten sich wie hungrige Wölfe in einen
herrenlosen und unbewachten Lämmerstall. Sie quellten,
unermüdlich und töteten ohne davon satt zu werden.
Hier einige Beispiele: Nachdem
Serhan der I. in Bahmin Fuß gefasst hatte, fing er bald damit an
die Êzîdî daraus zu vertreiben. Das Dorf war strategisch sehr
günstig gelegen. Es lag direkt am Rande den dicht bewaldeten
Bergen zwischen Midyat und der syrischen Flachebene. Das Dorf war
über die einzige Strasse, die Midyat mit Cizîrê und weiter mit
dem Irak verbindet sehr leicht erreichbar. Darüber hinaus boten
die dicht mit Eichenbäumen bedeckten und schwer zugänglichen
Berge ihnen gegen ihre Feinde, die sie sich mit ihren Raubzügen
und ähnlichen geschaffen haben, ausreichenden Schütz. Außerdem
waren sie dort von den dicht bevölkerten Städten fern genug, um
unbehelligt und ohne von der Regierung gestört zu werden ihren
Verbrechen an Unschuldigen begehen zu können. Wobei zu erwähnen
ist, dass auch Regierung kein Interesse daran hatte, hierbei zu
reagieren, etwas daran zu ändern und dies zu unterbinden. Das war
ein ideales Nest für die Räuber und Mörder. Es liegt nahe, dass
er genau deshalb das Dorf für sich von alle Anderen vorzüglich
ausgesucht hat.
Den Erzählungen nach hat er
das Dorf nicht mit Gewalt unter seiner Kontrolle gebracht,
sondern mit List. Er hat die Bewohner gebeten ihn dort wohnen zu
lassen. Dies Haben die Bewohner ihm zunächst nicht gewährt. Den
Angaben nach haben die Weisen aus dem Dorf es erkannt und die
übrigen davon gewarnt und zwar mit der Begründung: „wenn er sich
einmal in das Dorf bequem gemacht hat, dann wird es sehr schwer
werden, ihn wieder loszuwerden, außerdem wird er als Moslem für
uns ein großes Problem werden“.
Ein, aus Erfahrungen
gewonnenes, Sprichwort der Êzîdî warnt:
»Du darfst nie einen Moslem
Trauen. Wenn du ihn als Mann ins Haus bittest wird er als erstes
deine Weiber begehren und wenn du ihn als einen Apfel in deine
Tasche tust wird er es reißen und daraus fallen.«
Dar er keiner von uns ist,
sind wir nicht verpflichtet ihn in das Dorf zu lassen. Auf Grund
dieser weisen Ratschläge ist seine Bitte dreimal abgelehnt
worden. Aber er hatte sich bereits für das Dorf entschieden. Er
wusste auch, dass er auf jeden Fall in das Dorf einziehen wird,
es koste was es wolle. Er ist hartnäckig geblieben und es hat
sich für ihn gelohnt.
Nicht der Osman war für die
Êzîdî so grausam, sondern seine Nachkommenschaft.
Hier einige Namen die
vermutlich, wenn sie bei manchen Êzîdî erwähnt werden, die
gleiche Gefühle erwecken, wie bei den Juden, wenn man in ihre
Gegenwart den Namen Adolf Hitler ausspricht.
Serhan der I., sein Sohn
Seroxan, der Enkelsohn, der nach ihm benannt worden war, Serhan,
und dessen Bruder Cemîl und andere Familienmitglieder.
- Die Familie Çelebî: Çelêbî
selbst, seine Söhne: Hissein, Şehmus und Heccî Selim
- Hacco ê Hasan und seine
Kinder Usiv, Çeçan, Naîf und andere.
- Die Familie Lewend:
Muhammad Lettîf und sein Bruder Amer ê Ahmed.
- Alîk ê Bettê und seinen Sohn
Usiv.
All diese Herrschaften haben
an den Êzîdî ihre Tapferkeit gezeigt und jeder von ihnen musste
dem Anderen in der Brutalität und Grausamkeit übertreffen.
Serhan der I. dürfte
wahrscheinlich der Grausamste von alle anderen gewesen sein. Er
regierte sozusagen konkurrenzlos. Sein Stamm war noch zu klein,
um mit ihm wegen seiner Beute Streit anzufangen. Wie ich bereits
oben erwähnt habe, hat er sich mit seiner Familie in Bahnim
niedergelassen. Es hat nicht lange gedauert, bis er anfing das
Dorf unsicher zu machen. Wehrend die Männer da draußen bei den
Tieren und auf den Feldern arbeiteten, belästigte er die
ezidische Frauen, die alleine zu hause waren. Die Êzîdî begriffen
schnell, dass ihre Befürchtungen wahr werden und zwar, dass sie
zusammen mit Serhansfamilie, nicht auf Dauer, leben könnten. Sie
waren gegen die Familie, trotzt ihrer zahlenmäßigen
Überlegenheit, machtlos. Sie waren durch die Zahlreiche
Übergriffe von Moslems unter der Führung von dem Emir von Bothan,
Bedirxan Beg, dermaßen assimiliert, beängstigt und
eingeschüchtert, dass sie nicht gewagt hätten einen Moslem
gewaltsam anzugreifen.
Sie glaubten, dass jeder
Streit mit Moslems eine Gegenaggression der umliegenden Moslems
auslosen würde. Das konnten und wollten die Êzîdî auf keinen Fall
und unter keinen Umständen provozieren.
Sie versuchten zunächst ihren
Schmerz zu ertragen, aber bald mussten sie zwischen Demut und der
Flucht aus eigenem Dorf entscheiden. Sie hielten das Letztere für
kluger und suchten sich bei anderen Êzîdî eine neue Bleibe. Das
fanden sie auch, aber nicht alle in einem Dorf, sondern in
mehreren. Die Folge war die Trennung der Großfamilien von
einander, z. B. wehrend ein Teil der Familie in Xanik a Şêxa eine
dauerhafte Bleibe fand mussten die Anderen auf Gelî ê Sora und
andre Dörfer verteilt werden.
Damit haben die „Aasgeier“
ihren Horstsplatz erobert. Die Familie Serhan hat das Dorf Bahnim
neben anderen Siedlungen, die sie ebenfalls besetz hatten, z. B.
das Êzîdî Dorf, Bazar, das früher den Dasika Êzîdî gehörte und
das neben viel fruchtbaren Land auch reichlich von dem
kostbarsten Wasser hatte, als ihren Haupt-Wohnort beibehalten und
die Vertriebenen mussten sich ihrem Schicksal fügen. Sie mussten
sich damit abfinden, dass für sie kein Land, das sie ihr eigenes
nennen dürften, mehr geben wird. Daran hat sich bis heute nichts
geändert.
Die Axas setzten alles daran,
um eine Einigung zwischen alle Êzîdî zu verhindern. Sie
versuchten alles, um die Êzîdî gegen einander zu hetzen. Dazu
nutzten sie jede sich anbietende Gelegenheit aus, um
beispielsweise aus einem harmlosen Strohhalmfeuer einen
flächendeckenden Dorfbrand zu machen. Beispiel: Wenn sich zwei
Êzîdî gestritten haben und dies den Axas zu Ohren kam schickten
sie sofort übernachte ihre Männer in das Dorf, damit diese die
Getreidefelder oder die Weingärten, Obstbäume, die den sich
geschrittenen gehörten zu zerstören. Mit dem Ziel sie werden sich
gegenseitig beschuldigen und aus einem harmlosen Streit, das in
jeder Familie hin und wieder vorkommt eine Eskalation in einen
unkontrollierbaren Gewaltausbruch zu machen. Sie hatten
tatsächlich sehr oft Erfolg. Das Schlimmste fand ich, wenn die
Beschädigten dann zur ihren „ehrenwerten Axa“ gingen, damit er
als Schlichter eintritt und um ihm um Rat zu bitten. Für den Axa
waren solche Gelegenheiten sehr willkommen. Er konnte damit seine
Autorität prüfen und festigen, am Ende beiden Parteien, für seine
Dienste deftig zur Kasse bitten. Die beiden Seiten mussten tief
in die Tasche greifen, um ihn für seine Dienste als Richter,
Anwalt und Henker in einem zu bezahlen.
Diejenigen, die solche
Verhältnisse nicht kennen, werden unweigerlich die Frage stellen:
Warum hat man sich nicht an die staatliche Justiz gewandt?
Das ist eine berechtigte
Frage, solange man nicht selber weiß, wie die Verhältnisse dort
waren und sind. Hierin liegt die Antwort.
Jeder, der man bei der
Polizei/ Militär anzeigt, ob schuldig oder nicht, wird zunächst
verhaftet. Auf der Wache wird er grausamst gefoltert, um ihn
„geständig zu machen“ wie es hieß. Erst nach Tagen, manchmal auch
nach Wochen, wird der gefangene vielleicht einem Richter
vorgeführt. Bis dahin wird er jeden Tag in Gegenwart von einem
Kommandanten von den Soldaten verhört und gefoltert. Das Verhör
läuft bei allen Beschuldigten nach gleicher Methode ab. Der
Beschuldigte wird gefragt ob er sich im Sinne der Anklage
schuldig bekennt oder nicht.
Wenn er „nein“ sagt, dann
heißt „er habe gelogen“ und muss dafür weiter bestraft/gefoltert
werden, bis er die “Wahrheit“ sagt. Und wenn die Antwort „ja“
ist, dann muss er für seine Schuld bestraft werden, damit er nie
wieder solch eine Straftat begehen wird. Bei solche Gelegenheiten
können die Kommandanten, deren Hauptaufgabe darin liegt, jedes
Zeichen von kurdischen Aufstände gegen die „Unteilbarkeit des
türkischen Landes“ im Keim zu ersticken, nicht lassen, die
Beschuldigten zu befragen, ob er bzw. Jemand aus seinem
Bekanntenkreis irgend welche Waffen besitzen. Auch hier muss der
Gefangene informativ sein, ansonsten wird er bestraft.
Wehrend der Gefangene von den
türkischen Soldaten übelst zugerichtet wird, sind seine
Verwandten gezwungen zum Axa zugehen, um ihn zu bitten, seinen
Einfluss zur Gunsten der Beschuldigten zu bewirken. In der Tat,
sehr häufig ist nur der Axa in der Lage, überhaupt einen
Gefangenen in kurzer Zeit wieder auf freiem Fuß zu setzen. Ihr
Einfluss ist sehr groß. Also, die Verwandten mussten wieder tief
in die Tasche Greifen, um den Axa, den Kommandanten, den Anwalt,
der wiederum von dem Axa bestimmt wird und die Gegenseite zu
bezahlen.
Wie man sieht, hatten und
haben die Armen Bauer keine Möglichkeit sich vor den Axas-Kosten
zu drucken.
Feuer mit
Feuer bekämpfen
Alîk ê Bettê
Alîk ê Bettê ist auch ein
Verwandter von Seroxan und Çelebî Axa. Er war noch jung als er
zum Axa ernannt würde. Es kam so:
Er war ein Ziegen- und
Schafhirte. Seine Tiere waren in einem Hohlendorf, das den
Christen von Xerabê Alê gehörte. Er und sein jüngerer Bruder
passten auf die Tiere auf. Sein Verwandter Çelebî war zu der Zeit
noch der rechtmäßige Axa und wohnte in Mizîzex. Der letztere war
grausam und ohne Skrupel. Wehrend die Familien seiner Untertanen
verhungerten und nichts zum Anziehen hatten, hat er die
mehrheitlich christlichen Dorfbewohner und Êzîdî aus den
umliegenden Dörfern für sich und zum Wohle seiner Familie, wie
die Sklaven zum Arbeiten gezwungen. Mit anderen Worten er hat sie
vollkommen versklavt und nicht entlohnt. Die Christen konnten
diesen unerträglichen Zustand nicht länger aushalten, deshalb
haben sie in einer geheimen Absprache beschlossen sich zu wehren.
Aber das könnten sie nicht ohne fremde Hilfe Wagen. Der Häuptling
der Christen (Şabo ê Mîrza) hatte eine geniale Idee, wie sie
Hilfe bekommen konnten. Nämlich mit der Hilfe einen starken
Verbündeten, der keine Angst vor dem Axa hatte, und der war auch
ein Verwandter von dem Axa selbst. Dazu war Alîk ê Bettê bestens
geeignet. Ihm war klar, dass man Feuer häufig am besten nur mit
Feuer bekämpfen kann.
Der Christ könnte sich noch
daran erinnern, wie Alîk ê Bettê als Halbwüchsiger sich einmal
bei solche Sklaven Arbeitereien neben Çelebî Axa, der die
Arbeiter persönlich beaufsichtigte hingesetzt hatte und dieser
gefragt wurde:
„Warum arbeitest du nicht wie die Anderen?“ Alîk ê Bettê hat ihn mit derselben
Frage geantwortet. Als der Axa ihn für seine Frechheit bestrafen
wollte, nahm er gegen ihn eine mutige Haltung an, so das der Axa
nicht gewagt hat ihn zu schlagen und deshalb ihn in Rühe gelassen
hat. Er soll auch gesagt haben: „Wenn eines Tages jemand mir
gefährlich sein wird, kann es nur dieser Junge sein. Denn nur er
wird, soviel Mut besitzen um mich herauszufordern.“ Sich an
diesen, ungewöhnliche, Ereignis erinnernd, schickte der Christen
Häuptling einen Boten nach ihm und bat ihm ins Dorf zu kommen,
weil man nicht mehr aushalten kann und deshalb seine Hilfe gegen
Çelebî Axa dringend nötig sei. Alîk ê Bettê schickte den Boten
sogleich mit eignen Forderungen zurück. Seine Forderungen waren:
Ein Haus, ein gutes Pferd, eine moderne Waffe, uneingeschreckten
Verpflegung und vor allem unerschütterlichen Loyalität.
„Wenn ihr bereit seid all
das zu akzeptieren, dann bin auch ich bereit zu kommen“. Ließ er sie weiter wissen. Die
Christen waren zunächst nicht einig, ob sie all das ermöglichen
könnten. Sie waren der Auffassung, dass es nicht leicht und vor
allem nicht billig sein wird, all seine Forderungen so schnell zu
erfüllen. Schließlich hat der Häuptling sich durchgesetzt und war
bereit alles zu akzeptieren, denn er versprach sich dadurch eine
bessere Zukunft. Nämlich, das Ende der Sklaverei. Es hat, den
Angaben nach, nicht sehr lange gedauert und die Christen haben
alle seine Forderungen erfüllt. Er zog gleich triumphierend in
seinem zukünftigen Haus ein. Damit wurde die Schickzahl der
Zukünftigen besiegelt. Aus einem Ziegenhirten war sehr schnell
ein Held geboren, der heute noch in allen Munden ist und von fast
jeden Wandersänger besungen wird. An seiner Seite ist ein Christ
aus Sarê und Basibrîn, der Şemhun ê Hennê Aydo hieß, für seine
Tapferkeit noch berühmter geworden. Alîk ê Bettê wird ohne Şemhun
fast nie erwähnt. Alîk ê Bettê wird heute von den kurdischen
Nationalisten als einen Helden und Märtyrer gefeiert, der sein
Leben in einem Kampf gegen die Unterjochung von Kurden durch die
Türken gelassen hat.
In
wirklichweit hat er gegen die Türken nur deshalb gekämpft, weil
er sich und sein Terror gegen die wehrlose nicht gestört haben
wollte und nicht, wie es heißt: weil ihm die Unterdrückung des
kurdischen Volkes gestört hat. Er ist auch bei Hepnatê von einem
kurdischen Moslem, der auch sehr religiös gewesen sein soll,
getötet worden. Die türkischen Soldaten haben seinen Kopf an
einem Stadttor von Midyat gehängt und dort baumelte er eine Woche
lang, ehe man wieder abnehmen dürfte.
Hier sind einige Taten von
Alîk ê Bettê, die er gegen die Êzîdî begangen hat.
Alîk ê Bettê hat mindestens
zweimal die Êzîdî von Denwan überfallen und ihre gesamte
Tierbestand ausgeraubt.
Das erste Mal: Es war
Frühling, (das Jahr ist unbekannt) er hat auch diesmal Êzîdî
geschickt, sie haben die Hirten, die ihre Tiere in den Wäldern
zwischen Denwan und dem Christen-Dorf Arbû, weideten, überfallen.
Die Hirten, die sich durch die Flucht gerettet haben riefen um
Hilfe, so gleich sind die Besitzer und die Êzîdî aus dem Dorfe
Kevnas ihnen zu Hilfe geeilt. Sie wurden von den Räubern mit
Waffen empfangen. Die Räuber haben zwei Frauen aus Kevnas
getötet. Die eine hieß Hacir und die Andere Zero. Zwei Männer,
Baro und Acac ê Miradê würden verwundet, ebenfalls aus Kevnas.
Sie konnten das geraubte Vieh nicht mehr zurückholen. Die
geraubten Tiere gehörten Xellîl ê Mişkik.
Das zweite Mal haben die
Räuber auf die gleiche Art, wie beim ersten Mal, die Hirten
zwischen Denwan und Kefrê, auch Xerabê Kefrê genannt, überfallen
und dabei einen von den Hirten umgebracht und seine Leiche in
einer Zisterne geworfen, aus der er vorher seine Tiere tränkte.
Der getötete war der Sohn von Hissein ê Safê und sein Name war
Sahdun. Die übrigen Hirten sind entkommen und haben die
Dorfbewohner um Hilfe gerufen. Die Räuber haben diesmal vier
Tierherden geraubt. Die Tiere gehörten wieder Xellîl ê Mişkik,
Hissein ê Safê, Têllî ê Qemer und Hissein ê Arabo. Sie haben die
Tiere in die Dorfkirche von Xerabê Kefrê verscharrt. Die Kirche
heißt Mur Seydê und ist mit seinen großen Schutzmauern einer
Festung ähnlich. Auch dieses Mal eilten, mit den Besitzern und
die übrigen Dorfbewohner von Denwan auch die Êzîdî aus Kevnas,
ihnen zur Hilfe. Sie umzingelten das Dorf, in dem sich die Räuber
samt Diebesgut verschanzt hatten. Alîk ê Bettê, der Anführer der
Räuber hat wohlwissend, dass er ohne Schaden da nicht mehr
rauskommen würde, wenn die Êzîdî die Belagerung nicht aufheben,
ihnen den Vorschlag gemacht, dass er ihnen die geraubten Tiere
wieder zurück gibt, wenn sie ihre Belagerung aufheben und die
Bewaffneten sich weit zurückziehen würden. Auf diesen Vorschlag
sind die Besitzer eingegangen. Einer von Denwan, Semawî ê Alîk
hat sie zwar gewarnt und versucht sie davon zu überzeugen, dass
der Räuberkopf ein unehrenhafter Mensch sei, den man nicht das
Geringste, von dem was er verspricht glauben dürfe. Aber die
Besitzer wollten nicht mehr riskieren als sie eh schön verloren
haben. Toten hatte man ja bereits zu beklagen und noch mehr
Menschenblut wollte man nicht vergießen.
Sie taten was der Räuber
verlangte und zogen sich, wie er es gewünscht habe, zurück.
Semawî hat Recht behalten, die Tiere haben ihre Besitzer nie
wieder gesehen.
Heccî Selim
Heccî Selim, der Sohn von
Celebî Axa hat einen Dasika Êzîdî, der Mejdîn ê Mirêd hieß und
seine Frau von Mizîzex bis in das Dorf Kevnas verfolgt um ihn
umzubringen und seine Frau, die nach seiner Meinung nach gut
aussah ihn deshalb gefiel, mit Gewalt zu nehmen. Die Verfolgten
haben, glücklicherweise, vor dem Verfolger das ezidisches Dorf,
Kevnas erreicht. Der Häuptling des Dorfes, Şemhun ê Abdala hat
sie empfangen. Bald danach ist auch der Verfolger eingetroffen
und hat nach der Frau verlangt, denn er glaubte, weil er der Sohn
eines Axas ist, werden die Êzîdî ihm die Frau sofort mitgeben.
Şemhun ê Abdala hat ihn aufgefordert zu verschwinden, ansonsten
würde man die jungen und sehr mutigen Männer aus dem Dorf rufen,
die ihn sofort umbringen werden und seine Leiche „den Hunden zum
Fraß vorwerfen.“ „Du müsst es ja wissen, was Du tust und es muss
Dir auch klar sein, dass Du für Deinen Übermut sterben wirst,
sobald ich die Gelegenheit dazu habe.“ Antwortete er ihm. Denn er
war alleine und konnte nicht sofort machen, was er tun wollte.
»Ich weiß, was ich tue und
werde es auch nicht bereuen. Und Du sollst auch das tun, was Du
nicht lassen kannst. Aber ich wünsche, dass Du nie die
Gelegenheit dazu finden wirst.« Antwortete Şemhun ihm.
Heccî Selim ist nach seiner
Rückkehr krank geworden und bald danach starb er, und die armen
Êzîdî könnten so ihren Henker noch einmal entkommen.
Das Massaker von Kirşê
Serhan I. hat seine Männer
geschickt, um die Êzîdî, die sich in den Berghohlen, die in der
Nähe von einer alten Ruinenstadt, namens Kirşê lagen,
versteckten, deren Versteck er kannte umzubringen. Sie haben
dort neun Êzîdî aus Kevnas umgebracht und ihre Ohren
abgeschnitten um sie als Beweis für die vollbrachte Arbeit, ihren
Herrn zu überreichen. Die Ohren galten auch als Quittung, damit
der Axa ihnen die Belohnung bezahlt. Den Angaben nach haben sich
drei Männer, die noch lebten unter die Leichen der anderen
Verwandten, tot gestellt. Auch ihnen wurden die Ohren
abgeschnitten und sie haben sich vor Angst nicht gerührt und auch
nicht geschrieen. Auf dieser Art haben sie überlebt. Die Mörder
haben das Gesicht eines Kindes, solange gegen das lodernde Feuer
gehalten, bis ihm die Augen geplatzt sind. Aus dem männlichen
Geschlecht haben nur vier überlebt. Die Drei, die sich tot
gestellt hatten und ein kleiner Junge, der in der Nähe auf ein
paar Tiere aufpasste und die Mörder rechtzeitig kommen sah, die
Gefahr erkannte und deshalb noch rechtzeitig geflüchtet ist.
Die Namen derer, die das
Massaker mit abgeschnittenen Ohren überlebt haben waren: Haffo,
Hassan und Hizêr.
Das Massaker von Kîwex
Die Êzîdî aus Kîwex waren ein
Dorn in den Augen von Serhan Axa. Die Zahl der Êzîdî in dem Dorf
ist stetig gestiegen, und deshalb waren sie gemeinsam starke
Gegner von ihm.
Er hat beschlossen diese
potenzielle „Gefahr“ zu schwächen. Um dies erreichen zu können,
hat er sich für die altbewahrte Methode entschieden. Es musste
möglich sein, die Êzîdî aus dem Dorf aufeinander zu hetzen. Er
hat zunächst den Häuptling von der Familie Mêşo, Namens Xelêf ê
Mêşo zu sich gerufen und ihm den Vorschlag, mit ihm die andere
Familie des Dorfes, die Familie Simoka zu massakrieren, gemacht.
Xelêf hat diesen Vorschlag abgelehnt. Den Angaben nach hat er
sich mit folgenden Worte von ihm verabschiedet:
„Serhan Axa, du wirst von der
Vergießen unseres Blutes nie satt, auch dann nicht, wenn ich mit
dir meine eigene Verwandten umbringe, aber diesen Gefallen kann
und werde ich dir auch nicht tun.“
Nachdem Xelêf ê Mêşo seinen
Vorschlag abgelehnt hat, musste er von nun an einen anderen
Verbündeten suchen. Den Angaben nach hat er sich danach an seinen
Schwager, Hacco Axa gewandt, auch er war für diesen grundlosen
Mordplan nicht bereit. „Wenn sich der Axa etwas vorgenommen hat,
muss er vollbringen“. Nach diesem Moto konnte er nicht aufgeben
und suchte deshalb weiter nach Verbündeten. Er fand sie bei
Moslems und auch bei den Êzîdî. Jetzt war nicht die Familie
Simoka sein Ziel, sondern die Familie Mêşo. Der Familien
Oberhaupt von Simoka war Hissein ê Hassanîk und er war, im
Gegenteil zu Mêşo, bereit den mörderischer Plan zu unterstutzen
und mit dem Axa seine eigene Verwandten und Nachbarn zu töten.
So kam es, was kommen musste?
Die ganze Familie, ausgenommen ihre Frauen, welche die Töchter
fremder Familien waren, diese dürften leben und auch das nur aus
dem Grunde, weil man keinen weiteren Ärger mit ihre Verwandten
haben wollte, ist auf Befehl von Serhan Axa in einer Felsenhöhle
in der nähe des Dorfes, östlich von diesem eingeäschert worden.
Nur ein Junge, der Hitto hieß konnte entkommen und das nur, weil
seine kluge Mutter ihm, zuvor wie ein Mädchen gekleidet hatte.
Die gesamte Familie war dort versammelt um gemeinsam das heilige
Fest der Êzîdî, Hîda Êzîd, zu feiern. Das Fest findet jedes Jahr
am ersten Freitag nach der 13. Dezember statt. Die ahnungslose
Familie wurde von unzählige, bewaffneten Muslimen und die dazu
gezwungenen Êzîdî, die ebenfalls aus Kîwex stammen umzingelt, so
dass ein Entkommen für sie unmöglich war. Die Höhle, in der sie
sich befanden hat nur einen Eingang und einen Loch, das man es
nicht als Ausgang benutzen kann, weil es sich quasi in der Decke
der Höhle befindet, so einen Art Lichtschacht. Einige aus der
Familie waren bewaffnet und könnten sich für einiger Zeit gegen
den ihnen zahlenmäßig überlegenen Feinden verteidigen. Die
Eingreifer wollten ihren blutigen Werk bald beendet haben und
zwar bevor die anderen Êzîdî des Distrikts eventuell davon
erfahren und möglicherweise den Eingekesselten zu Hilfe kommen.
Sie haben Heu und Baumästen herbeigeschafft und den Eingang der
Höhle damit angezündet. Das taten sie auch schnell und stapelten
das Brennzeug am Eingang der Höhle und Schmissen den Rest durch
den Lichtschacht ins Innere und steckten das Ganze mit Feuer an.
Alle die sich darin befanden haben einen qualvollen Tod in dem
Feuer und dem stickigen Rauch gefunden. Auch hier wurden die
übrigen Êzîdî aus dem Dorf, mit der Ausnahme von einem, gezwungen
mitzumachen. Nach den mündlichen überlieferten Erzählungen sind
alle anderen Êzîdî, die an diesem Massaker teilgenommen haben,
außer Hissein ê Hassanîk dazu gezwungen worden. Man hielt Hisseîn
ê Hassanîk deshalb auch für diese barbarischen Massaker an
Kindern, Frauen, Männern, Jungen und Greisen als Verräter. Ein
anderer Êzîdî aus Kîwex, der in Syrien wohnte, sein Name war
Xelef ê Biharê, hat ihn später dafür getötet. Vor ihm ist auch
ein anderer Êzîdî, den man für Hisseîn gehalten habe, ebenfalls
aus Kîwex, irrtümlicherweise getötet worden.
Die
Versklavung von ezidische Frauen
» Während
meines Aufenthalts in Mosul konnte ich, mit Hülfe des Viceconsuls
Herrn Rassam, der sich der Sache der Humanität immer mit grossem
Eifer und der grössten Uneigennützigkeit annimmt, aus dem Harem
des Kadi selbst ein Jezidimädchen befreien, die einige Zeit
vorher ihren Eltern entführt und gezwungen worden war, die
Religion Mohammeds anzunehmen. Ein so ungewöhnlicher Vorfall
machte in der Stadt grosses Aufsehen.«
So Layard in
einer Bemerkung in seinem Buch: „Niniveh und Babylon“
Die Frauen und junge Mädchen
der Êzîdî waren seit eh und je ein begehrtes Angriffsziel für
ihre Feinde. Sie würden in die Sklaverei verschleppt und auf den
Sklavenmärkten verkauft. Auch für die Harems der osmanischen
Herrscher waren sie eine sehr begehrte Kriegsbeute, so einer Art
Jagdtrophäe. Sie wurden auch unter dem Vorwand verschleppt „ihre
Familien seien mit ihren Steuerzahlungen im Rückstand“. Mit dem
Preis den man für Sie auf den Sklavenmärkten erzielte, sollten
die Staatskasse wieder gefüllt werden. Diese von dem Staat selber
verübte Barbarei gab den auch den lokalen Herren das Recht das
gleiche zu tun, - die kurdischen Beys natürlich inbegriffen.
Der Serhan Axa und sein Sohn,
Seroxan, der später seinen Platz eingenommen hat, haben viele
ezidische Frauen mit gewallt genommen. Die meisten von ihnen
waren auch verheiratete und hatten Kinder. Das war ihre Methode,
um die Êzîdî zu entehren und zu demütigen. Für einen Êzîdî gibt
es nichts Schlimmeres als, wenn jemand seine Frau nimmt und erst
recht nicht, wenn dieser ein Moslem ist. Nur der Tod ist ihm
lieber. Manchmal, wenn die ezidische Frauen sich ihnen wehrten so
wurden ihre Männer getötet und sie wurden danach mit gewallt
genommen.
Hier zwei Beispiele
Şîro aus Kîwex
Serhan Axa hat sie mit Gewalt
genommen und in seiner „Burg“ von Bahmin eingesperrt. Den
Berichten zu Folge hat sich Şîro ihm, ihrem Peiniger gegenüber
heftig gewehrt. Er hat sie jeden Abend brutal vergewaltigt und
ihre ezidische Kleider vom Leibe gerissen und mit islamischen
Klamotten angezogen, am darauffolgenden Tag hat sie die
verhassten Klamotten wieder ausgezogen und weggeworfen. Sie
sammelte die Fetzen von ihre ezidische Kleider wieder zusammen
flickte/ nähte sie wieder zusammen und bekleidete sich damit.
Serhan Axa hatte Angst, dass sie bei jeder sich anbietender
Gelegenheit abhauen wird. Deshalb ließ sie nicht aus dem Haus und
ließ sie tagsüber streng bewachen. Am Abend hat er sie mit einem
Strick an sich gebunden, um so zu verhindern, dass sie wehrend
alle schliefen abhaut. Er schlief mit ihr auch im Sommer drinnen,
wehrend die Anderen draußen schliefen. Im Sommer ist in der
Gegend sehr warm und deshalb ist es üblich, dass man in dieser
Zeit draußen auf den Hausdächern schläft. Nach drei qualvollen
Monaten hat Şîro endlich geschafft eines Nachts, als er so fest
schlief, dass er nichts merkte, sich von ihm loszubinden und lief
zu seinen Verwandten, die sie ohne Zeit zu verlieren nach Fisqînê
brachten. Zu der Zeit befand sich Fisqîn noch vollständig in der
Hand von der Familie Faris, einen ezidischen Pirs. Faris ê Pîr
hat sie nach drei Tagen verstecken weiter nach Şingal gebracht,
wo sie den Rest ihres Lebens verbrachte. Manche behaupten, dass
ihr ezidischer Mann ebenfalls nachgegangen ist und hat sie wieder
angenommen.
Die Frau von Aydo
Seroxan Axa hat die Frau eines
Êzîdî aus Gelî ê Sora, ebenfalls mit Gewalt genommen. Sie trug
ihren Säugling, einen Jungen auf den Armen als er sie mitnahm. Er
hat das Kind von ihr genommen und es einfach weggeschmissen und
nahm die Frau, die Esmer hieß, mit.
Einen anderen Êzîdî, Namens
Hîss ê Osmên ebenfalls aus Gelîe Sora hat er vor den Augen von
vieler Êzîdî zusammen gebunden und zwischen Bacin und Midyat
ermordet. Er hat ihn deshalb ermordet, weil seine Frau sehr schön
war und er sie haben wollte. So wird es von den älteren Êzîdî
erzählt. Hîssa war sehr mutig und der Axa hatte vor ihm Angst
gehabt. Er hat ihn durch einen Hinterhalt gefesselt und ermordet.
Die Frau hat er nicht mehr nehmen können. Dazu hat er nicht mehr
Zeit gehabt. Mahmud ê Hîsso aus Taqa hat ihn daran
gehindert.
Die hier erzählten Geschichten
gehörten für die Êzîdî keinesfalls, wie die folgenden beiden
Geschichten beweisen werden, zu längst vergangenen Zeiten.
Mir hat neulich eine bekante
Frau bei meinen Regarschen folgendes Erlebnis erzählt.
„meine Eltern wohnten in dem
Dorf Şimizê (ezidisches Dorf im Distrikt Xalta). Im Sommer 1968
bin ich Augenzeuge gewesen als die Moslems ein Mädchen aus dem
Dorf entführt haben.
Es geschah so: Die meisten
Dorfbewohner arbeiteten auf den umliegenden Getreidefelder, um
die Getreide zu dreschen. Ich selber war zu Hause und könnte das
Treiben auf den Feldern sehr gut beobachten.
Ich habe beobachtet wie ein
Auto auf das Dorf zu gefahren kam. Das haben auch andere
beobachtet, aber wir ahnten zunächst dabei nicht schlimmes.
Manche von uns dachten da wäre Jemand, der den Muğtar
(Burgermeister) besuchen möchte. Das Auto fuhr so schnell wie auf
den Schotterweg nur möglich war.
Das Auto fuhr plötzlich von
der Strasse ab und steuerte auf eines der Felder auf der einige
Mädchen arbeiteten. Am Feld angekommen stiegen mehrere bewaffnete
Männer aus packten eines der Mädchen zerrten sie mit Gewalt in
das Auto und führen so schnell, wie sie nur könnten, wider fort.
Die übrigen Dorfbewohner, die
auf dieser Art so überrascht worden sind, könnten in ihren
Schock nicht schnell genug reagieren, um das Mädchen zu retten.
Niemand konnte in dieser Situation ihr helfen. Sie haben diesen
Vorfall den Behörden gemeldet, auch hier fanden sie niemanden,
der ihnen helfen könnte. Im Gegenteil dazu wurden sie auch auf
der Wache misshandelt und mit der Begründung: „Das Mädchen ist
aus freien Willen mitgegangen und sie möchte nicht mehr
zurückkehren“ wieder nach hause geschickt.
Außer mir haben noch viele
andere Dorfbewohner die Entführung gesehen und könnten bezeugen,
dass das Mädchen mit roher Gewalt und von bewaffneten Männern in
das Auto gezerrt wurde und dass das Mädchen dabei versucht hat
sich zu wehren wobei sie auch sehr laut um Hilfe geschrieen hat.
Von alldem wollten die Behörden nichts wissen. Die Eltern wollten
ihre Tochter ein Mal sehen und sie sollte ihnen persönlich sagen,
wenn sie nicht mehr zurück möchte, dann werde man auch die
Gewissheit haben, dass sie freiwillig mitgegangen ist. Auch das
wurde nicht erlaubt.“
(Die Augenzeugin ist dem Autor
persönlich bekannt).
Die Tötung von Seroxan Axa
Nachdem Hacco Axa mit seinem
Aufstand (1926) gegen die Unterjochung der Kurden durch die
Türken gescheitert ist, hat er sich in das Französischen
Protektorat, Syrien, abgesetzt. Auch dort war er vor der
Verfolgung, durch seinen Schwager, Seroxan, der sich mittlerweile
zum wichtigsten Verbündeten der Türken gemacht hatte, er war der
Kopf von Çette, nicht sicher. Die Çette waren die Kurden, die
sich mit den Türken verbündet hatten, um mit ihnen gegen
kurdischen Aufstand zu kämpfen und dafür zu sorgen, dass diese
für immer unterworfen werden. Jede Erinnerung daran sollte
ausgelöscht werden. Das ist eine sich für die Türken bewahrte
Methode, um mit den Kurden ein leichtes Spiel zu haben. Sie
suchen unter den Kurden Verbündete und bewaffnen sie. Danach
braucht man nur zu befehlen, um die Kurden gegen einander
loszuschicken, selbst eigene Verwandten werden plötzlich zu den
Erzfeinden. Sie sind treue Verbündete. Denn dafür wird dadurch
gesorgt, in dem man lokale Herren, die Axas als ihre Befehlshaber
einsetzt, die wiederum selbstverständlich ihren Befehlen von
Türken, aus Ankara (Hauptstadt) erhalten.
Also, auch Seroxan Axa wurde
nach dem kurdischen Aufstand, der 1926 unter der Choubun
ausbrach, ein Befehlshaber, der die Çette im Kreis Midyat und
Nuseybin im Auftrag der Türken befehligte. Sein Schwager Hacco
Axa, der sich ebenfalls der Aufstand angeschlossen hatte und nach
dem Zusammenbruch des Aufstandes im Jahre 1926 mit seiner
Familie in die französischen Syrien, kurdischer Region um
Terbispîyê geflüchtet ist und noch immer von der Rückkehr in die
alte Heimat träumte, aber seinen, sich mit den Türken
verbündeten, Schwager Seroxan Axa nicht traute. Denn er war auch
sein Rivale, wenn es um mehr Macht über die Armen Êzîdî und
Christen der Region und ihre Ausbeutung ging.
Hacco Axa wüsste, dass er nie
wieder zurückkehren kann, auch wenn die Türken eine Amnestie für
ihn und seiner Familie erlassen würden. Sein Schwager, der Brüder
seiner Frau, Peyruza Seroxan Axa wäre niemals bereit mit ihm
seine mit der Hilfe von türkischen Kemalisten neugewonnene
Machtposition zu teilen. Aus dem Grunde musste er dieses
Hindernis, den Schwager, aus dem Weg räumen. Das könnte nur
durch einen Mord geschehen. Dazu waren sie von einander entfernt
und er wüsste auch, dass sein Schwager ein wichtiger Mann für die
Türken war. Ihn ganz offen anzugreifen wäre für seine Rückkehr
nicht gut gewesen. Also, ein gut durchdachter Mordplan musste
her. Deshalb beschloss er ihn nach Syrien zu locken und ihn dort
umbringen zu lassen. Dazu musste man ihm ein Lockvogel anbieten,
den er nicht widerstehen konnte. Dieser Lockvogel müsste jemand
sein von dem er reichlich profitieren könnte. Der Häuptling von
Dasika-Êzîdî war so einer und Seroxan Axa hate ihn und sein Stamm
mehrere Jahre zuvor aus ihrem Lande vertrieben. Er war gezwungen
mit dem Rest seiner Familie bei Hacco Axa im Exil Asyl zu suchen.
Er wäre als Untertan mit seinem starken Clan ein wichtiger
Verbündeter. Sein Name war Şemdîn ê Çollî. Er war mit seinem
kriegerischen Stamm ein wichtiger Verbündeter für jeden Axa.
Hacco Axa beschloss deshalb ihn zu benützen. Er beriet seinen
Vorhaben mit Şemdîn ê Çollî und hat mit ihm einen Plan
geschmiedet.
Der Plan sollte wie folgt
laufen:
1. Hacco Axa und Şemdîn
ê Çollî werden sich in seinen Diwan (Versammlungssaal) vor Augen
aller Anwesenden streiten, beschimpfen und einander so drohen,
dass jeder es glaubt sie haben sich ernsthaft gestritten und es
ist endgültig aus zwischen Beiden.
2. Die gute Nachricht
über diesen Bruch zwischen den Beiden soll seinen Schwager so
schnell wie möglich erreichen. Ein Bote sollte ihn gleichzeitig
ein Angebot von Şemdîn ê Çollî übermitteln. Der Böte soll ihn von
Şemdîn grüßen und sagen: “Ich (Şemdîn ê Çollî) habe jetzt erst
begriffen, dass nur du, mein Axa, mich und meinen Stamm
beschützen kannst. Deshalb, wenn du mir es gestattest, werde ich
wieder zurückkehren. Ich möchte mich mit dir bei dem Dorfe Acîloe
(ein kurdisches Dorf in Syrien) treffen, um weitere Einzelheiten,
hinsichtlich meiner Rückkehr und zukünftigen Sicherheit meines
Stammes und um über der Höhe der Straffe, dass ich für meinen
Dummheit, den ich dir gegenüber begangen habe, zu besprechen.“
3. Einer der auf ihn
schießen sollte war auch schnell gefunden. Ein Êzîdî, Namens
Mahmud ê Hîsso, der früher Seroxan Axa diente und nicht mehr mit
ansehen konnte, wie er die ezidische Frauen peinigt und deshalb
sich von ihm getrennt hatte und auch er wie alle anderen Êzîdî in
seiner Situation jetzt Hacco Axa diente. Er soll sich mit
folgenden Drohungen von ihm, Seroxan Axa, verabschiedet haben:
»Wenn Gott mich am
Leben lässt, werde ich dich für all das, was du uns Êzîdî antust
umbringen« Da er zuvor mit
niemandem darüber gesprochen hatte, konnte auch keiner wissen,
dass dieses Angebot für ihn eine höchst willkommene Gelegenheit
war, um seinen Versprechen ihn gegenüber zu lösen.
Deshalb hat Mahmud sich dazu
sofort freiwillig bereit erklärt als Hacco Axa die Anwesenden die
Frage, wer von ihnen bereit sei auf Seroxan zu schießen, wenn er
unseren Köder schluckt und zu dem Bestimmungsort kommt, stellte.
Sobald Seroxan von dieser
Botschaft gehört hat, könnte er nicht mehr länger abwarten,
dorthin zu gehen. Er ritt gewöhnlich einen amerikanischen Muli,
er vermied Pferde, weil seiner Meinung nach, diese beim
Galoppreiten sehr hin und her schaukeln und dabei ihn wehtun und
deshalb zu unbequem seien, dagegen haben die Mulis eine ruhigere
Gangart und sind deshalb die bequemeren. Als er durch Kevnas ritt
hat er dem ezidischen Dorfältesten mit folgenden Worte gedroht:
„Ich gehe Şemdîn mit
seinem Clan holen. Wenn ich zurück bin, dann solltest du dich
warm anziehen“
»Mir bleibt
nur die Hoffnung, dass du einen Hinweg ohne Rückkehr hast.«
Antwortete ihm der Êzîdî. Und so verabschiedete er sich. Als er
die vereinbarte Stelle erreicht hat und auch seine
Gesprächspartner, die ebenfalls bereits dort auf ihn warteten
traf und nachdem sie sich nach Art des Brauchs gegrüßt haben und
alle Anwesenden ihn die Hand geküsst haben, wollte auch der
Êzîdî, Mahmud, der jetzt an die Reihe war, ihn begrüßen. Aber
Seroxan Axa, der sich an seine Androhung erinnerte, hat ihn
gesagt: „Blinder! Du
bist mein Hund gewesen und jetzt bewachst du die Höfe fremden
meiner Feinde. Ich kann dir nicht trauen.“
Mahmud hat ihn mit den Worten:
„Axa, wenn du mich nicht magst
und mir auch nicht traust, dann werde ich mich von dir fern
halten“ geantwortet und
entfernte sich ca. hundert Meter von ihm und blieb dort stehen.
Nach dem er und Şemdîn alles
beredet haben, was ihnen wichtig schien und er sich verabschieden
wollte hat Mahmud seine geladene Gewähr, vor den Augen aller
Anwesenden, auf ihn gerichtet und geschossen. Seroxan Axa fiel
zur Boden und mit ihm zwei weitere, die zu seiner Gefolgschaft
gehörten, beide waren Êzîdî. Die anderen Gefolgsmänner haben sich
nicht mehr gerührt.
Mahmud ê Hîsso
Als Hacco Axa seine Helden
empfangen hat, um den Sieg mit ihnen zu feiern, hat er Mahmuds
mutiger Tat hervorgehoben und wollte ihm dafür danken, aber
Mahmud war selber in Hochmut gefallen und sagte zu ihm: „du
sollst dich nicht zu sehr freuen, weil ich ihn nicht für dich,
sondern für das Massaker von Steinhaufen Mamedor getötet“.
Seroxan Axa hatte dort sieben Êzîdî eigenhändig geschlachtet. Mit
diesen Worten hat er sein eigenes Todesurteil selbst gefällt.
Wenige Tage später ist auch er
zusammen mit seinem Bruder und dessen Sohn in seinem aus Lehm
gebautes Haus von ca. 350 Männern, die von der Familie Seroxan
geschickt würde, belagert. Alle drei sind trotzt heftiger
Wiederstand, - auch sie haben zwei von den Angreifern vorher
erledigt, verbrannt worden. Der Anführer von den Angreifern war
ein Moslem Namens Ahmed ê Amar, der mit Seroxan blutsverwandt
war. Er war der Bruder von seiner Witwe, Benîyê. Sie haben den
Kopf von Mahmud für die Mutter von Seroxan als Geschenk
mitgenommen. Sie hieß Adûlê und wohnte in Marînê, einem
christlichen Dorf. Sie hat angeblich, als Zeichen der völligen
Demut, daraus ein Hundenapf gemacht.
Şemdîn ê Çollî
Auch Şemdîn dürfte nicht lange
leben. Peyruza, die Schwester von Seroxan Axa war die Frau von
Hacco Axa. Sie hat ihren Sohn Naîf geschickt, um ihn zu töten,
das tat er auch. Er hat ihn mitten in der Stadt Terbispîye
(Syrien) getötet und danach ist er zu seiner Oma Adûlê gegangen
und blieb auch für den Rest seines Lebens bei ihr.
Als eines Tages sein
Verwandter Hisseîn ê Çelebî, der von seiner Tat noch nicht gehört
hatte ihn traf, fragte er ihn, was er getan habe, dass er sein
Vater verlassen habe. Er hat ihm erzählt, dass er Şemdîn ê Çollî
getötet habe. Daraufhin hat ihn Hisseîn mit den Worten:
„Und du bist wahrscheinlich
stolz auf das, was du getan hast? Du hast einen bedeutungslosen
Êzîdî, den ich von einen anderen Êzîdî hätte umbringen lassen
getötet und ich habe geglaubt, dass du wirklich eine Heldentat
begangen und hast deinen Vater getötet“
angeschnauzt.
Wie man an diesem Beispiel
deutlich erkennen kann, sie schreckten nicht mal davor, selbst
ihre Väter zutöten.
Hacco Axa der all das
verhindern könnte, wenn er es gewollt hätte, hat einfach
geschwiegen.
Der Raubüberfall in der Nähe von Arbû
Von der nichtmuslimischen
Bevölkerung unter der Osmanischen Herrschaft wurde jede
erdenkliche Steuer erhoben. Als Steuereintreiber (genannt:
Tahsildar) würden in der Regel nur „Rechtgläubige“ Moslems
eingestellt.
Zu den Erhobenen Steuern
gehörten unter anderem auch die Tiersteuer. Die Tierbesitzer
wurden dazu gezwungen pro Tierkopf eine festgesetzte Geldsumme an
den Staat abzuführen. Wenn jemand diese Summe nicht aufbringen
konnte, dann nahm man ihm die Herde (alle Tiere) weg. Das kam
einer Beraubung sehr nahe. Wenn sie keine Tiere rauben könnten,
haben sie sehr häufig an derer Stelle die Frauen und junge
Mädchen der Besitzer gewaltsam mitgenommen, um sie auf den
Sklavenmärkten zu verkaufen. Die nichtmuslimischen Bürger müssten
ihre Herden anmelden und die genaue Tierzahl nennen. Auch die
Höhe der Straffe für die nicht angemeldeten Tiere war festgelegt.
Es betrug das Sechsfache der regulären Steuer. Erst, wenn die
beraubten diese Strafe beglichen hatten, konnten sie ihre Tiere
wieder zurückbekommen. 1914 kam der für die Region um Midyat (Tur
Abdin) zuständige Tahsildar oder der Steuereintreiber in das von
Êzîdî bewohnten Dorf Xerabya und verlangte von den Bewohnern die
Steuer zu bezahlen. Als er die Bewohner dazu aufforderte und von
ihnen die sofortige Auszahlung verlangte haben sie ihn darauf
aufmerksam gemacht, dass das noch gültige Geld bald nicht mehr
gültig sein wird, und dass sie das neue Zahlungsmittel noch nicht
haben, weil die örtlichen Geldhäuser/Banken ebenfalls das neue
Zahlungsmittel nicht da haben. Sie baten ihm sich noch ein wenig
zu gedulden, bis man die alte Wehrung gegen die neue eingetauscht
habe, dann könnte er das Steuer, in Form von neuem Zahlungsmittel
bekommen. Der Tahsildar wollte nicht warten, und verlangte die
sofortige Auszahlung. Die zu recht misstrauischen Êzîdî konnten
ihm nicht trauen und machten ihn noch einmal darauf aufmerksam,
dass das Geld, das er jetzt von ihnen bekommt bald nicht mehr
gültig sein wird, deshalb die bitte sich noch einwenig zu
gedulden, bis man umgetauscht habe. Aber er blieb erneut bei
seiner Anforderung, die sofortige Auszahlung.
»Umtauschen kann ich auch
selber. Wenn ich es nicht umtauschen kann, dann wird es auch
keinem anderen möglich sein. Ich bin ein Staatsmann, wenn ihr das
Geld umtauschen könnt, dann werde ich es erst recht tun können.«
Hat er ihnen
gesagt.
»Wenn du die Steuer heute
einkassierst und das Geld gegen die neue Währung nicht umtauschen
kannst, dann hast du auch gegen uns keine Ansprüche mehr.« Hat der Häuptling des Dorfes ihm
daraufhin gesagt.
Der
Midur oder Tahsildar war damit einverstanden und sie zahlten ihm
die Geldsumme, die von dem Staat festgesetzt worden war aus. Er
ging wieder weg aber blieb nicht für lange Zeit weg. Er kam nach
etwa sechs Monaten zurück und wollte wieder Steuern einkassieren,
aber nicht weil die neue Summe fällig geworden ist, sondern
tatsächlich die bereits bezahlte Steuer wollte er wieder haben.
Als Begründung gab er an:
»Ich konnte das alte Geld
nicht mehr gegen die Neue umtauschen und habe deshalb das Geld
nicht in die Staatskasse einzahlen können.
Aber die Staatskasse möchte
auf das Geld nicht verzichten.«
Die Dorfbewohner sind der
Aufforderung, mit der Begründung, dass sie die Steuer bereits
bezahlt haben und nicht bereit sind zweimal die gleiche Steuer zu
zahlen, geschweige in der Lage sind die volle Summe noch einmal
zusammen zu bringen, nicht nachgekommen. Daraufhin ist er
weggegangen und kam kurzer zeit später wieder zurück, um seine
Forderung durchsetzen zu können, brachte er diesmal auch gleich
Soldaten mit. Die Êzîdî ließen sich nicht einschüchtern und
lehnten abermals die Auszahlung der unberechtigten Steuer ab.
Daraufhin hat der Midur oder Tahsildar seine Soldaten befohlen
die Herden zu rauben. Die Êzîdî, die dieses Unrecht nicht mehr
ertragen konnten, haben versucht ihr Hab und Gut zu verteidigen.
Ein mit Waffen ausgetragener Kampf brach aus. Dabei sind zwei
Êzîdî, Brahîm ê Abdo und Mihê, aus dem Dorfe und zwei Soldaten
getötet worden. Die Angreifer haben sich daraufhin zurückgezogen.
Es stand für die Êzîdî fest, dass sie aus ihrem Dorf flüchten
müssen. Wenn sie bleiben, dann werden sie alle es mit dem leben
bezahlen.
Angeblich war es einer Art
Brauch oder war dies dem Faulheit der Osmanen zu verdanken
gewesen, dass ein Schuldiger nicht mehr verfolgt wurde, wenn er
sich aus seinem Dorf ein wenig entfernte. Hierauf hoffend haben
die Êzîdî beschlossen ihr Dorf zu verlassen und sich für die
nächste Zeit einen anderen Bleibe zu suchen. Wehrend die Hirten
ihre Tiere zusammen trieben und mit ihnen losbrachen packten die
Anderen ihre Sachen fluchtartig zusammen und schleppten, die
Sachen entweder selber oder auch die schweren Sachen auf
Tierrücken beladen machten sie sich auf der Suche nach einem
neuen Flüchttort. Sie kamen zunächst in das ezidisches Dorf,
Kevnas und machten erst mal dort Rast. Die Bewohner von Kevnas
haben ihnen vorgeschlagen den ersten Winter bei ihnen zu
verbringen, aber sie lehnten es mit der Begründung ab:
»Wir mochten euch durch uns
nicht gefährden. Außerdem sind die Weideplätze, die euch zur
Verfügung stehen für alle Tierherden zu klein«.
Sie
reisten nach drei Tagen
weiter. Sie erreichten in demselben Tag das Aramär Dorf Arbû. Das
Dorf war schon damals halb verlassen und der Sohn von Hacco Axa
Prinz Usiv, hatte bereits seit einiger Zeit das Dorf Besetzt und
wohnte auch selber Dort. Er hat die Flüchtlinge persönlich
empfangen. Auch er hat auf die Êzîdî eingeredet bei ihm zu
bleiben.
Die Êzîdî haben zunächst zum
Schein seinen Vorschlag angenommen, aber ihn trauen konnten sie
erfahrungsgemäß nicht, denn er war für seine Wortbrüchigkeit und
für seine Hinterhältigkeit berühmt.
Mit den Êzîdî war auch eine
muslimische Familie aus Keversê, die bereits vorher bei den Êzîdî
wohnte, weil sie von ihren Verwandten ausgestoßen worden war und
auch von Anfang an auf der Seite der Êzîdî gegen ihre Feinde und
Verfolger kämpfte. Die Êzîdî, die sich sehr fürchteten von ihren
Gastgeber verräterisch überfallen und beraubt zu werden, haben
beschlossen ihn nicht aus den Augen zu lassen. Jederzeit sollte
einer von ihnen sich in seiner unmittelbaren Nähe aufhalten, um
es zu erfahren, wenn er einen Komplott gegen sie planen sollte.
Keiner war dafür geeigneter als den Vater von der muslimischen
Familie. Sein Name war Alîk ê Şêx. Er war ein Moslem und ihn
gegenüber konnte der Prinz unvorsichtiger sein und vielleicht
auch das, was er mit den ezidischen Flüchtlingen vorhat verraten.
Der Moslem blieb auf Anraten von Êzîdî auch der Prinz erlaubte
ihm des Nachts in seiner Nähe zu sein und dürfte auch in seinem
Haus schlafen, wenn er es wollte. Einen Abend hat der Prinz
seinen Gast, dem Moslem noch am frühen Abend aufgefordert nach
hause, zu seiner Familie zu gehen. Da er sich sicher sein wollte,
dass der Prinz es auch ernst meint, hat er sich paar Mal dazu
auffordern lassen. Denn das war ein sicheres Zeichen dafür, dass
der Prinz Usiv etwas vorhatte, was sein Gast nicht erfahren
dürfte.
Gleich nach dem er nach hause
gekommen ist, hat er alles, was er erfahren und erlebt hat, seine
ezidische Freunden erzählt. Sie erkannten es sofort, dass er die
ganze Zeit, die er auf sie einredete zu bleiben, nur dazu
benutzte, um Zeit zu gewinnen, damit er seine Räuberbande
zusammen bringt, um die wehrlosen Flüchtlinge zu plündern. Die
Êzîdî wollten ganz sicher sein und schickten deshalb zwei Frauen,
die Sosê und Nekşê hießen los, die so tun sollten, als ob sie von
den Herden zurückgebliebene Tiere suchen wurden um eine Ruine,
die über dem Dorf auf dem Hügel liegt, auszukundschaften. Sie
wussten, wenn er Leute geholt hat, die ihre Bewegungen beobachten
sollen, dann befinden sich diese in der Ruine von der die ganze
Umgebung zu sehen ist. Als die Frauen sich der Ruine näherten hat
jemand, der vermutlich sie warnen wollte, seine Gewehrkolben
einmal kurz, so dass er sicher sein konnte, dass die Frauen es
auch sehen konnten, hoch über die Mauer, hinter der sie sich im
Verborgenen hielten, gehalten. Die beide Frauen kehrten, nach dem
sie das Zeichen gesehen haben, eilends zurück und erzählten sie
das den Anderen. Damit waren sie sich sicher, dass der Prinz
genau das geplant habe, wovor sie sich die ganze Zeit gefürchtet
haben. Mehr Beweise waren dafür nicht mehr nötig. Die Anführer
der Flüchtlinge, zwei Männer waren es, und ihre Namen waren
Dîwanê und Kiçûn haben beschlossen sofort aufzubrechen. Als sie
das Dorf eben verließen hat der Prinz Usiv, der sie aus dem Dorf
aus beobachtete ihnen nachgerufen und hat sie gefragt warum sie
seinen Wünsch nicht nachgekommen sind (den Wünsch bei ihm zu
bleiben)
»Mein Axa. Wir wollen dir
nicht zur Lasst fallen und deshalb werden weiterziehen.«
haben
sie ihm geantwortet.
Sie wollten so schnell wie
möglich, die etwa fünf bis sechs Stunden östlich liegenden
ezidische Dörfer erreichen. Sie erhofften sich dort mit Hilfe der
anderen Êzîdî möglicherweise Schütz und darüber hinaus waren die
Wälder groß genug um Futter für ihre Tiere zu geben.
Sie kamen ca. einen Kilometer
weit und wurden schon unter Beschuss genommen. Zwischen dem
christlichen Dorf, Arbû und dem von Moslems bewohntem Dorf, Êlîn,
(die beiden Dörfer liegen nur ca. drei Kilometer von einander
entfernt) wurden sie aufgerieben. Auch die Flüchtlinge haben sich
tapfer verteidigt, aber genutzt hat ihnen ihren Mut alleine
nicht. Dreizehn von ihnen sind ermordet worden und ihre Sachen
und die Tiere sind alle beraubt worden. Auch der Moslem und sein
Sohn, die mit ihnen auf der Flucht waren sind im Kampf
umgekommen.
Und so endete, wie so oft im
Leben, für die Êzîdî ihre Flucht abermals im Blutbad.
Hacco Axa und der Aufstand der Kurden
Nach der Gründung von der
türkischen Republik durch Mustafa Kemal Paşa, genannt Atatürk, im
Jahre 1923 und mit der Ausrufung des neu Gegründeten Staates, der
mit dem Vertrag von Lousan bestätigt wurde, ist auch das
Schickzahl des kurdischen Volkes besiegelt worden. Das Kurdenland
ist in vier Teilen (zwischen Syrien, Irak, Iran und der Türkei)
aufgeteilt worden. Die Kurden, die ihre Versklavung durch die
Teilung sahen versuchten sich in mehreren Aufständen gegen diese
zu verteidigen. Eines davon ist unter Choubun bekannt geworden.
Auch Hacco Axa hat sich an diesen Aufstand angeschlossen. Für die
Êzîdî, die bereits vorher mit ihm verbündet waren, blieb keine
andere Wahl außer mitzumachen. Auch Hacco Axa hat nicht wahr
haben wollen, dass nicht der Staat sein größter Gegner war,
sondern seine eigene Verwandten. Nicht zuletzt mit der Hilfe
seiner Verwandten, die sich sehr schnell mit der neuen Regierung
verbündeten, würde er im Frühling des Jahres 1926 besiegt. Er hat
sich und seine Familie im Schutze der Dunkelheit in den syrischen
Teil Kurdistan gerettet. Seine schlecht bewaffnete und
zahlenmäßig ihren Feinden, dem heranrückenden türkischen Heer,
weit unterlegene Armee hat er damit führerlos zurückgelassen.
In kürzester Zeit hat die
türkische Armee die Oberhand gewonnen und mit der Hilfe von
verbündeten ihre Macht befestig.
Zu den wichtigsten Verbündeten
der neuen Herrscher von Anatolien in dieser Region zählte auch
die Familie Çelebî.
Nach dem Seroxan Axa getötet
worden ist, war die Familie Çelebî in den Distrikten Midyat und
Nuseybin die Stärkere. Deshalb war sie auch für die Türken als
Verbündete interessant und wichtig. Aus der Familie haben sich
für die Zentralregierung Muhammad Lettîf und Hisseîn ê Çelebî
besonders gut bewährt.
Muhammad Lettîf wollte sich
mit der Hilfe der Türken an die Bevölkerung für die schlechten,
vergangenen Zeiten die er erlebt hatte und für die getöteten
Verwandten rechen. Die Türken waren, nur an der Auslöschung der
kurdischen Identität interessiert. Jeder, der Muhammad Lettîf mit
dem Finger auf ihn gezeigt hat musste sterben.
Die Familie Baacola aus Kevnas
galt in seinen Augen als Verräter, weil als Seroxan getötet
wurde, Angehörige der Familie Baacola ihn dorthin begleitet haben
und sich nicht rührten als Mahmud ê Hîsso auf ihn geschossen hat.
Dazu kam noch, dass die Baacola nach dem Tod von Seroxan Axa sich
wieder Hacco Axa, dem wahren Feind von Seroxan Axa, angeschlossen
haben. Mit ihnen galten auch die Verwandten von Mahmude Hîsso aus
Taqa als Feinde.
Nun die Zeit für „Abrechnen“
war für Muhammad Lettîf gekommen und die Lage war mit Türken im
Rücken sehr günstig für ihn. Er konnte sich an die Verhassten
rechen ohne die Gefahr zu laufen, dafür von der Regierung
bestraft zu werden. Er hatte beschlossen die Familie Baacola, die
Verwandten von Mahmud ê Hîsso aus Taqa und die Êzîdî aus Denwan
gänzlich auszurotten.
Im Sommer des Jahres 1927 hat
er die Baacola, die Verwandten von Mahmud und einige Êzîdî aus
Mihoka Clan verhaften lassen und wollte das gleiche mit den Êzîdî
aus Denwan anstellen. Das hat der Êzîdî Häuptling von Kevnas (Şemhun
ê Abdala) gerade noch verhindert und mit ihnen auch noch zwei
Kinder aus der Familie Baacola, die seine Neffen waren, gerettet.
Şemhun ê Abdala selber stand
noch nicht auf seiner Liste, deshalb hatte er noch einwenig
Spielraum. Er könnte die Gefährdeten noch warnen, bevor sie in
akuter Gefahr waren.
Die Verhafteten wussten
zunächst nicht was mit ihnen geschehen wird. Den Angaben nach
haben einige von ihnen sich freiwillig gestellt. Sie sind ihren
Mördern, sprichwörtlich, direkt in die Hände gelaufen, um nach
ihre Verwandten zu fragen, die zuvor verhaftet worden waren.
Diese sind ebenfalls sofort verhaftet und zu den andren
eingesperrt worden.
Alle Gefangenen, Êzîdî,
Christen aus Tur Abdin und auch einige kurdische Moslems sind in
den Bergen von Bagog in einer altertümlichen Ruinenburg, die mit
ihre ursprünglichen Schützmauern noch umgeben, die Schutzmauern
nach wie vor noch beinahe unbeschädigt sind gebracht worden. Im
inneren Hof befindet sich eine Hohle. Die Gefangenen würden in
die Hohle getrieben und dort eingesperrt.
Der Tötungsplan sah zunächst
so aus: Man wollte nach und nach, jedes Mal zwei von ihnen, die
an einander angekettet waren aus der Hohle herausholen und sie im
Hof erschießen. Manche von ihnen hat man auf dieser Art
hingerichtet bis die Reihe an zwei junge und kräftige Männer aus
Baacola Familie kam. Beide Männer, Gernus und Rebîh, die an
einander gebunden (gekettet) waren, sind herausgeholt worden, um
auch sie zu erschießen. Beide standen mit ihren Handfesseln im
Hof, mitten der türkischen Soldaten und ihren Verbündeten, die
ihre Waffen auf ihnen gerichtet haben. In dieser Todesangst haben
beide beschlossen zu flüchten. Ohne Zeit zu verlieren sind beide
über die Schützmauer gesprungen und ihnen folgten mehrere Schauer
Gewährkugeln. Wie durch ein Wunder hat sich ihre Handkette in der
Luft gesprengt, so dass die Beiden noch leichter und schneller
laufen konnten. Manche sagen, dass Gewährkugeln die Kette
gerissen haben. Auch die Beiden sind von den Gewährkugeln, die
ihnen sofort folgten, nicht verschont geblieben. Gernus ist nur
leicht von einer Kugel gestreift worden, Rebîh wurde an den
Oberschenkel getroffen. Er hat sich in den Bergen zehn Tage in
einer Felsenhohle versteckt, bis er von einem Hirten gefunden
wurde. Er war bereits sehr schwach und konnte nicht mehr
selbstständig gehen. Die Wunde hatte sich sehr stark entzündet,
manche sagen, dass sie auch von Maden befallen war. Der Hirte hat
ihm Wasser und Brot gegeben. Der stark geschwächte Flüchtling hat
dem Hirten gebeten einen bekanten Christen, Namens Gewrîkê Qûttik,
zu benachrichtigen, der so einer Art Naturheiler war und sich
auch mit Wundenpflege auskannte. Das tat der Hirt auch.
Sobald der Christ dies gehört
hat, ist mit seinen Heilkräutern und Salben in den Schütz der
Dunkelheit zu ihm gegangen und hat ihn dort, solange Behandelt,
bis er wieder Kraft schöpfen könnte. Nachdem der Verwundete
wieder einigermaßen geheilt war und selbständig gehen konnte, ist
er in das syrische Kurdengebiet gegangen. Dort fand er auch noch
einige seiner Verwandten, die sich noch rechtzeitig gerettet
hatten.
Die übrigen Gefangenen hat man
nicht mehr aus der Hohle geholt, um sie zu töten, sie sind in den
Hohlen getötet worden. Um sicher zu sein, dass alle getötet
waren, wurde der Eingang von der Hohle mit Baumästen und
Grasballen vollgestopft und mit Feuer angezündet, so dass keiner
überleben könnte.
Mindestens 20 Êzîdî sind dort
getötet worden. Das Ganze hat, obwohl auch das türkische Militär
daran direkt beteiligt war, ohne Gerichtsverhandlung
stattgefunden. Hier die Namen von manchen, die massakriert worden
sind.
Aus Taqa:
Mih ê Sahlî, Amer ê Perus,
Abdo, Brahîm ê Hûttî, Çomer, Amso
Von Mihoka:
Silêman ê Osmên, Çithan aus
der Familie Amerkê, Usiv ê Salih
Von der Familie Baacola sind
11 Menschen getötet worden.
Im gleichen Jahr ist auch der
Mörder Muhammad Lettîf getötet worden.
Drei Êzîdî, naher Verwandte
von Baacola, sind aus Syrien gekommen, um ihn für seine Taten zu
bestrafen. Sie kamen in die Nähe eines aramäischen christlichen
Dörfes und wollten mit den Bewohnern einen Verbindungskontakt
herstellen, um zu erfahren wie und wo der Tyrann sich aufhält.
Sie trafen einen Christen, der
auf den Rucken seines Esels die Ernte seines Weingartens
transportierte. Als er sie sah hat sich sehr erschrocken und
wollte augenblicklich fliehen, dazu hat er nicht genügend Abstand
darum blieb er stehen fing sofort zu winseln an. Die Êzîdî, die
auch bewaffnet waren redeten auf ihn beruhigend ein und machten
sich mit ihm bekannt. Nachdem er sich wieder gefasst hat fragten
sie ihn, welche Neuigkeiten es gibt und welche Stimmung unter der
Bevölkerung herrscht. Von ihm erführen sie, dass die Bevölkerung
unter der Freundschaft zwischen den Türken und der mit ihrer
Hilfe mächtig gewordenen Axa (Muhammad Lettîf) sehr leidet.
Muhammad Lettîf der sehr bemüht war und keine Skrupel scheute,
drückte die armen Bauer, um seine Stellung bei den Türken zu
erhöhen. Es machte ihn durchaus keine Mühe die Bevölkerung, die
selber an Hungersnot litt zur zwingen zusätzlich noch die
zahlenmäßig übermächtige türkische Armee zu ernähren. Das
erzählte der Christ den drei Êzîdî und druckte sein Bedauern aus,
dass der Tyrann noch leben darf.
Da er die Êzîdî mit dem, was
er ihnen erzählte überzeugt habe, dass er auch Ernst meine und
sein Hass auf den Tyrannen sehr groß sei, gewannen sie soviel
Vertrauen, dass sie ihn auch verrieten, warum sie wieder in die,
für sie lebensgefährlichen, Region zurückgekehrt seien.
Sie baten ihn weiter zuhorchen
und ihnen zu berichten, wenn man weiß wo er sich aufhält. Als der
Christ zwar sehr erschrocken aber glücklich nach hause ging
erführ er, dass Muhammad Lettîf auf dem Weg zum türkischen
Großkommandanten sei, um von ihm die Ehrungen und auch eine
Medaille für seine Verdienste entgegen zu nehmen.
Glücklicherweise hatte er den zwar unbequemsten aber schnellsten
Weg dorthin gewählt. Der Weg führte mitten in den dicht
bewaldeten Bagogbergen, dort wo die Êzîdî sich versteckten. Der
Christ stieg, nachdem er die gute Nachricht im Dorf gehört habe,
auf dem Dach seines Hauses, rief einen seiner Nachbarn mit einer
Lauten Ruf zu und fragte ihm:
»Welche Neuigkeiten gibt’s
heute?«
»Ich habe gehört, dass
Muhammad Lettîf morgen nach Marine geht, damit der Kommandant ihm
seine Ehrungen, die er sich dienstlich verdient habe,
überreicht.«
Antwortete der Nachbar.
Der Fragende wiederholte die
gute Nachricht seines Nachbars noch einmal mit eigener lauter
Stimme, um sicher zu gehen, dass die Êzîdî, die sich in der Nähe
des Dorfes aufhielten und aus sicherer Entfernung lauschten, es
ebenfalls gehört haben. Die Êzîdî haben alles mitgehört und
nahmen in der Nähe des besagten Weges Stellung, mit der Hoffnung
die Christen behalten Recht und er kommt auf ihre, aus sicheren
Verstecken, auf den Weg gerichtete Gewährläufe zugeritten.
Am nächsten Tag kam er
tatsächlich auf ihnen zu geritten und sobald er die Reichweite
ihrer Gewähre erreicht hat, haben alle drei zeitgleich jeweils
eine Kugel auf ihn geschossen. Er fiel sogleich vom Pferd zur
Boden. Die Drei entfernten sich noch rechtzeitig, damit nicht
mehr unnötig Blut vergossen wird. Sie blieben aber noch in der
Gegend, um zu erfahren, ob er wirklich tödlich, wie sie es sich
erhofft haben, getroffen wurde.
Am Abend stieg der Christ
wieder auf dem Dach seines Hauses und erzählte wieder seinen
Nachbarn mit der gleichlauter Stimme, dass der Muhammad Lettîf
getötet wurde und hat es betont, dass er bereits tot sei und
seine Leiche Morgen zum Friedhof getragen wird. So dass er sicher
war die Êzîdî haben es mitgehört.
Die Êzîdî könnten unbeschadet
in der Schütze der nächtlichen Dunkelheit wieder nach hause
zurückkehren.
Den Angaben nach trug der
Getötete Axa noch sieben Namen von Bekannten, die er sehr
wahrscheinlich ebenfalls töten wollte, bei sich in der Tasche.
Die Steinigung von Êzîdî in Hezex (Idil)
Eine ezidische Frau aus Taqa
(ihre Name war Şewqîya), die sich gerade mit ihrer
Schwiegermutter gestritten hatte, brachte ihren Ehemann, der in
der nähe des Dorfes sein Feld pflügte das Mittagessen. Da nahm
sie die Gelegenheit wahr und erzählte ihm, dass seine Mutter sie
ständig beschimpft und sie nicht mag, deshalb möchte sie nicht
länger mit ihr in einem Haus, unter einem Dach leben. Ihr Mann
hat angeblich seine Mütter in schützgenommen und ihr gesagt, dass
nicht die Mutter mit dem Streit anfange, sondern sie selber
Streit provoziere und hat sie dabei auch beschimpft. Die Frau
nahm das leergegessene Geschirr und machte sich wieder auf dem
Weg. Unterwegs ist ihr wahrscheinlich in den Sinn gekommen, nicht
nach Hause, sondern zu ihre Eltern, die in ein anderes Dorf
wohnten zu gehen. (Es
ist üblich, bei den Êzîdî, dass die Frauen die sich von ihren
Männern bzw. seine Verwandten schlecht behandelt fühlen, für eine
Weile von zu Hause weglaufen, bis er oder sie sich beruhigt
haben, oder sie selber sich mit ihre Forderungen an die Familie
durchgesetzt habe.)
Dabei hat sie den Weg entlang
der Autostrasse, von Midyat nach Hezex, genommen. Ein Autofahrer
(Moslem), der dort entlang führ hat sie gesehen und mitgenommen,
aber nicht dorthin, wo sie ursprünglich hin wollte, sondern zu
sich nach Hause und weil sie die Frau von einem Êzîdî war nahm er
sie mit Gewalt zu Frau.
Ihr ezidischer Mann, der
dadurch auf schlimmster Weise entehrt worden war, wollte nicht
eher ruhen, bis seine Ehre mit dem Tod des Moslems wieder
hergestellt ist.
Im Sommer 1977 hat er ihn
endlich erwischt und gleich getötet. Zur gleicher Zeit hat ein
Êzîdî, sein Name war Nisredîn ê Pîr Nahroz, mit Hilfe von einen
anderen Freund, aus dem Dorf Koçan, seine zukünftige Frau aus
einem Dorf in der Êzîdî Distrikt Xalta (kreis Batman) entführt
und ihre Verwandten, die von diesen Vorfall erfahren haben, sind
ihnen gefolgt. Die Verwandten von der Frau glaubten, dass die
Entführer Moslems seien und schossen auch mit scharfer Munition.
Der Freund „von dem Bräutigam“, der Abdulkerim hieß, ist dabei
verwundet worden.
Unterwegs ist er, auf Grund
seiner Verletzung, die zu sehr geblutet hat, gestorben. Nachdem
man seine Leiche in seinem Dorf gebracht hatte, schickten die
Anwesenden zwei junge Männer (sie hießen Nezam und Heyat), die
auch Verwandte von dem getöteten waren, los, um die Schwester von
dem Getöteten Gülle, die bei ihren Tieren in einen anderen Ort
war zu holen. Die Gesandten sind zu Fuß dorthin gelaufen und
machten sich mit der Frau sogleich wieder auf dem Rückweg. Sie
wollten so schnell, wie möglich, zurückkehren deshalb gingen sie
zu der Strasse, die von Nuseybin nach Cizre geht, um mit dem Auto
zu fahren. Ein fremder Autofahrer, den sie nicht kannten nahm sie
mit. Sie stiegen unbekümmert in das Auto ein, denn ihnen war es
nicht wichtig wer der Fahrer war, sondern viel wichtiger, dass er
sie mitnahm. Gleich nach dem sie einstiegen und er losfuhr fragte
der Fahrer:
„Wer
seid Ihr und wohin wollt Ihr
gehen?“.
»Wir sind Êzîdî und wollen
nach Hause, nach Midyat.«
Antworteten sie.
»Kennt ihr Şerîfo?« Fragte
er sie weiter.
»Nein.«
Antworteten sie.
»Er ist tot.« Sagte
er weiter und druckte noch stärker auf dem Gaspedal, so dass das
Auto noch schneller führ.
Sie erreichten Hezex, wo
Şerîfo getötet wurde und der Fahrer hielt plötzlich an und sagte:
»Mein Auto ist kaputt. Ich
hole gleich das defekte Teil aus der Werkstatt und bin in
weinigen Minuten wieder bei Ihnen, dann fahren wir wieder
weiter.«
Er ließ die Drei dort
aussteigen und führ alleine los.
Er ist im Wirklichkeit nicht
ins Werkstatt gefahren, sondern direkt zu den Verwandten von
Şerîfo, die mit anderen Moslems auf den in ca. zwei Kilometer
entfernten Friedhof versammelt waren, um sein Leichnam zu
beerdigen. Der Fahrer erzählte ihnen, dass er gleich drei Êzîdî
abholen wird, und die blutdurstigen und nach Rache schreienden
Moslems glaubten ihren Ohren nicht, was der „Fremde“ ihnen
erzählt. Nach kurzer Zeit, ist er wieder zu seine ezidische
Mitfahrer zurückgefahren und lies alle wieder einsteigen und gab
kräftig Gas.
Die bereits benachrichtigten
Moslems hatten genug Zeit, um sich mit Steinen und anderen
Schlägerzeug zu bewaffnen und warteten auf ihn. Der Friedhof
befindet sich in der Nähe von einem Dorf ca. 2 Km westlich von
Hezex (İdil) auf einer Berghöhe, ganz nah an der Strasse, auf der
sie nach Midyat fahren müssten. So könnte er die sich in tiefer
Trauer befindenden und ahnungslosen Êzîdî direkt in den sicheren
Tod fahren ohne dass sie etwas bemerkt haben könnten.
So bald er aus der Stadt
Richtung Midyat führ, könnten die darauf wartenden, mit Hass
gefüllten Moslems ihn kommen sehen. Sie stürmten alle auf einmal
auf das Auto los und zerrten die drei Êzîdî daraus und schlugen
mit Steinen, Schlagstocken, also mit allem, was sie greifen
konnten auf sie los. Ehe die drei es gemerkt haben, dass sie
umgebracht werden lagen sie schon voll in eigenem Blut. Sie haben
auf ihre drei Opfer so lange gehauen bis sie Tod umgefallen sind.
Die beiden Jungen waren auf der Stelle getötet und auch die Frau
ist unmächtig geworden, so dass das Mob glaubte auch sie sei tot.
Die sehr schwer misshandelte und verletzte Frau hat es überlebt.
»Ich wünsche, auch ich wäre
gestorben. Was habe ich noch von einem gestorbenen Leben, einen
seelenlosen Körper?«
sagte sie später.
Usiv ê Alîk ê Bettê und seine „Rache“
Usiv, der Sohn von Alîk ê
Bettê wollte die Privilegien seines Vaters in Anspruch nehmen und
so kam er jedes Jahr im Frühling zu den Êzîdî und nahm von jeder
Familie ein Milchtier, (ein Schaf oder eine Ziege, mit ihrem
Lamm). Selbstverständlich ohne dafür bezahlen zu müssen. Als er
1981 wie gewöhnt zu den Êzîdî aus Denwan kam, da waren sie noch
in ihren Winterlagern, in den Berghohlen von Tur Abdin (genannt:
Qelaç ê Dasika). Diese Hohlen waren in den tiefen Schluchten
versteckt. Sie wurden früher als richtige Wohnungen genutzt. In
jedem Tal waren ein bis drei solche Bergdörfer. Die Êzîdî
mieteten die Hohlen jedes Jahr, um dort mit ihre Tiere zu
überwintern. Er nahm sich immerhin einige Tage Zeit und ging wie
ein Bettler von Lager zu Lager und nahm seine „geschenkten“ Tiere
persönlich in Empfang. Als er im Mai 1981 wieder kam fing er erst
in Gelî ê Kelehê an und wollte so nach und nach auch in die
anderen Lager gehen, bis er alle besucht habe. Die Êzîdî aus Gelî
ê Kelehê haben ihm seine Tiere gegeben und danach ist er nach
Şuşanî ya bahnî gegangen um auch dort seinen Tribut zu nehmen,
aber die Bewohner dort haben sich dieses Mal geschlossen
geweigert ihm die Tiere zu geben. Nach dem anderen Êzîdî davon
erführen folgten sie ebenfalls diesem Beilspiel und gaben ihm
nichts, auch die, die ihm bereits gegeben hatten kamen und holten
ihre Tiere wieder ab. Aus lauter Verärgerung fing er sie zu
beschimpfen und zu drohen. Bitter enttäuscht und beleidigt ging
er weg. Die Êzîdî, die gerade eine Heldentat vollbracht hatten,
konnten aber nicht triumphieren, denn sie wüsten, dass er mit
seiner Drohung ernst meinte und er versuchen wurde ihnen für
diese „Rebellion“ heim zu zahlen. Nach dem er weg war, luden die
Frauen ihre Milch auf Eselsrücken und wollten es wie gewohnt zum
Käsemacher bringen. Sie könnten nicht ahnen, dass der ehrenwerter
Axa in etwa zwei Kilometer vom Lager entfern auf sie lauerte. Als
die Frauen, die hinter ihren schwer beladenen und störrischen
Eseln langsam ihren Weg folgten, ihm so nah kamen, dass sie nicht
mehr weglaufen konnten, hat er sie überfallen, sie beschimpft und
ihre Milchbehälter kaputt gemacht und die ganze Milchproduktion
in die Erde gegossen.
Die Êzîdî haben sich trotzdem
über ihren kleinen Sieg über einen Axa gefreut. Sie haben den
Kampf, trotz einen kleinen Verlust von Milch für sich entschieden
und könnten sich als Sieger fühlen, weil der „Beleidigte“ sie in
der Hinsicht nicht mehr belästigt hat.
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