Kapitel Eins
Die Gebetshäuser
Außer dem Heiligtum Lalişa
Nûranî haben die Êzîdî keine bestimmten Gebetshäuser. Manche
Schriftsteller haben geschrieben, dass Laliş deshalb für die
Êzîdî heilig ist, weil Şêx Adî von dort aus gewirkt habe und
auch dort beerdigt ist. Das ist nur eine Vermutung. Die Êzîdî
selber glauben, dass Lalişa Nûranî das erste auf der Erde
gebaute Gebäude ist. Sie glauben auch, dass es der Ort ist, an
dem Gott und seine Engel gewirkt haben, bevor sie den Ur-Mensch
(Adam) erschufen. Demnach es ist der Ort, wo Gott und Engel
gewohnt und selber ihn für heilig erklärt haben. Diese
Mythologie kommt auch in den Qewls vor.
Auf die Frage, warum die Êzîdî
keine Gebetshäuser haben, hat Feqir Xidir ê Berekat ê Kesso mit
einer Gegenfrage geantwortet.
»Wozu extra Gebetshäuser
bauen, wenn die gesamte Erde Gotteshaus ist und er (Gott)
überall jeden Betenden, unabhängig davon, wo der Betende sich in
dem Augenblick aufhält, hört?«
Das ist eine berechtigte Frage
und umfaßt gleichzeitig eine logische Antwort. Dazu hätte auch
ich nichts mehr hinzugefügt, wenn nicht auch andere Gründe eine
entscheide Rolle gespielt hätten.
Es ist allgemein Bekannt, dass
die Moslems liebend gern die Gebetshäuser von anderen
Religionsangehörigen in Moscheen umfunktionieren, wenn diese von
ihnen unterworfen werden. Das tun sie nur aus dem Grund, um die
anderen zu demütigen und die Erinnerung an ihren Triumph über
sie zu verewigen. Ein hervorragendes Beispiel hierfür ist die „Hagia
Sofia“, die Justinian I. nach fünf jähriger Bauzeit 537 in
Konstantinopel (türkisch = Istanbul) einweihen lies. Dabei soll
er selber sich mit der Bemerkung: „Salomon, ich habe dich
übertroffen“ gebrüstet haben. Diese Kirche war einst der Stolz
der byzantinischen Christen, heute ist sie eine Moschee mit
mehreren Minaretten. Solche Beispiele sind in Kurdistan genug zu
finden.
Angesicht solcher
abschreckenden Beispiele, war es sehr vernünftig, dass die
Êzîden ihre wenigen Finanzmitteln, die ihnen zu Verfügung
standen lieber für das überleben von Menschen ausgaben und nicht
für irgendwelche Prachtbauten, aus denen sie jederzeit hätten
vertrieben werden könnten.
Auch die fast ununterbrochenen
und gezielten Übergriffe auf ihr Heiligtum Laliş waren
abschreckende reale Beispiele dafür, dass ihre Gebetshäuser,
wenn sie welche gehabt hätten, ihnen mehr Ärger als Nutzen
gebracht hätten. Angesicht dieser Realität war es ihnen
unmöglich Gebetshäuser zu bauen.
Das sieht in der Diaspora
anders aus. Die Lösung liegt in der Beantwortung folgender
Fragen. Werden die Êzîdî ohne Gebets- Versammlungsräume in
Zukunft auskommen? Werden die Priester ihre Pflichten nachkommen
können?
Die Wichtigste Frage ist:
Werden Sie ohne Lehranstalten ihre Kinder halten können?
Ich glaube das haben sie
bereits erkannt und mit dem Bau von der ersten Gemeinde der
Êzîden in Oldenburg eine Antwort auf diese wichtigen Fragen
gegeben.
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