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Kapitel Eins
Sind die Êzîdî Zarathustrier?
Das ist einer der momentan
häufig gestellten Fragen. Die Antwort hierzu ist auch seitens des
weltlichen Oberhauptes von Êzîden ein klares “Nein“ gewesen. Er
sagte:
»Es gibt Grunde, die zu
der Annahme führten, dass unsere Religion sich von der der
Zarathustrier abgespalten habe. Ich vermute, dass diese Vermutung
dadurch entstanden ist, als wir und andere
Religionsgemeinschaften, darunter auch die Zarathustrier, vor
Moslems in die umliegenden Wäldern fliehen mussten. Da haben
unsere Feinde angenommen, dass alle, die sich in den Bergen
versteckt halten, Zarathustrier seien. Aber wir haben eine andere
Theologie als Zarathustrier, z. B. wir dürfen andere nicht
missionieren, und niemand kann in unsere Religion konvertieren.
Das ist aber bei den Zarathustriern möglich. Wir blicken beim
Beten Richtung Sonne und die Zarathustrier beten zum Feuer. Wir
verehren Xwedê und Taûs î Melek und die Zarathustrier verehren
ihren Propheten Zerdeşt (Zarathustra) und Ahura Mezda..«
Mîr Tahsin Beg räumte
allerdings auch ein, dass im Laufe der Zeit beide Religionen
einige ähnliche Rituale entwickelt haben, bzw. von einander
übernommen haben könnten. Das ist aber kein Grund, deswegen beide
Religionen gleich zu stellen und als eins zu betrachten.
Eine sehr wichtige
Unterscheidung von beiden Religionen ist, dass die Zerathustrier
an zwei Gottheiten (Urkräfte) glauben: einen Gott (Urkraft) der
Weisheit, der ist „spenta“ (heilig, tugendhaft) und Ahura
Mazda (weiser Herr) zugeordnet; der andere Gott (Urkraft) ist
böse, bekannt unter der Namen „angra“ (feindselig und
abträglich). Sie stehen sich diametral gegenüber in Gedanken,
Wort und Tat. Ebenso unterschiedlich ist das Bestattungswesen.
Die Zarathustrier bestatten ihre Toten auf Türmen, damit ihre
Seele von Vögeln zum Himmel getragen werden kann. Die Êzîden
praktizieren grundsätzlich nur die Erdbestattung.
Bei den Êzîden existiert nur
ein Gott. Außer ihm, dem einzigen Gott, existiert kein zweites
Urwesen. Die Êzîden sagen, dass das Böse und das Güte aus einem
Tor (Quelle) kommen und dieses Tor dem Gott gehört. „Derîyê
xera û yê şeřa yeka, û ew derîyê xwedêya.“ Es handelt sich
also hier um zwei unterschiedliche Religionen mit
unterschiedlichen Weltanschauungen.
Eine andere These geht davon
aus, dass die ezidische Religion von dem Kalifen Yazid bin
Muawiya (680 - 683) gegründet worden ist, daher der Name „Yezidi“.
Auch diese These ist definitiv nicht richtig. Wie wir bereits
erfahren haben, reichen die Wurzeln der Êzîden-Religion bis in
sehr frühe Zeiten der Menschengeschichte und das wird auch von
zahlreichen Studien bestätigt, die man bis jetzt über die
ezidische Religion erstellt hat. Zum Beispiel die Verehrung der
Sonne ist ein bis in das assyrisch-babylonische Reich
zurückreichender Glaube. Damit ist jede Theorie definitiv falsch,
dass der Êzîdensmus / Êzdaismus seinen Ursprung nach Mohammed,
dem Stifter des Islam, genommen habe.
Man muss aber nicht außer
Acht lassen, dass dieser moslemische Kalif für seine Milde
gegenüber anderen Religionen verehrt wird. Wie gesagt dies nur
wegen seiner Toleranz gegenüber anderen Religionen und nicht weil
er ein Prophet für sie ist. Warum er gegenüber anderen Religionen
sich so tolerant verhielt, kann man vielleicht damit begründen,
weil er viel mit seinen Widersachern unter Muslimen beschäftigt
war und deshalb keine Zeit für Kriege gegen Andersgläubige hatte.
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