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Kapitel Eins
Welche der
Weltreligionen ist die Wahre und Gerechtere?
Zeig mir eine Religion dessen
Anhänger frei von Vorurteilen und Gewaltausübung sind und
gänzlich auf Gewalt verzichten und ich zeige dir die wahre und
gerechteste Religion der Menschheit. Die hier vorliegende
Religion ist natürlich mit eingeschlossen.
Die Êzîdî könnten stolz darauf
sein, da sie noch nie einen Krieg gegen Andersgläubigen und
anderen Menschenrassen geführt haben, mit dem Ziel sie zu
bekehren bzw. sie zu vernichten. Wenn jemand eine andere Religion
hat bzw. er an einen anderen“ Gott“ bzw. Propheten glaubt ist
dieser nicht automatisch vor Gott schlechter als ein Êzîden. Das
ist eine Aussage von Êzîden selbst. Die Êzîden haben noch nie
einen Glaubenskrieg gegen Andersgläubige begonnen. Sie Selber
sind aber seit man denken kann wegen ihrer Religion verfolgt.
»Zweiundsiebzig Genozide haben wir
bis jetzt überlebt. « »Zweiundsiebzig Mal haben
unsere Feinde versucht uns gänzlich auszurotten und wir haben
alle überlebt. «
So, die Standardantwort von Êzîdî, wenn man
sie danach fragt. Mit dieser Aussage werden längst nicht alle
einzelne Schicksale, Plünderungen, Entführungen und
Versklavungen von Kindern und Frauen, mitgerechnet, die wiederum
nicht selten ohne vorher die übrigen Verwandten zu töten, zu
massakrieren, sie auszurauben vonstatten gingen. Das ist die
Geschichte von einem Völkchen, das in einem Gebiet lebt, oder
besser gesagt lebte, das früher Mesopotamien und heute Türkei,
Irak, Iran, Syrien und auch Kurdistan genannt wird. Die
Unterdrückung von Êzîden dauert bis in unsere Zeit an und für sie
ist das Leiden längst alltäglich geworden. Niemand ist, aus
heutiger Sicht gesehen, dazu in der Lage das Leiden zu stoppen
geschweige das Ende zu prophezeien.
Man könnte im Angesicht solch einer
Toleranz dazu neigen zu sagen die Êzîden seien die tolerantesten
Menschen auf diese Erde. Aber wer sie genau kennt wird schnell zu
der Erkenntnis kommen, dass sie sich mit ihren internen
Streitereien, Feindseligkeiten und Blutfehden um nichts von
anderen Völkern bzw. Religionsgemeinschaften unterscheiden.
Die Christen haben Verbrechen gegen die
Menschheit, die sie im Namen ihrer Propheten Jesus begangen haben
nicht gerade die besten Argumente dafür gebracht toleranter als
die Andersgläubigen zu sein. Zu ihren Verbrechen zählen die
Kreuzzüge, die Verfolgung von Juden und „Hexen“, Kolonialkriege
gegen andere Völker und Länder und Massakrierungen, Versklavungen
der Ureinwohner der „neu“ entdeckten Kontinente, wie z. B.
Aboriginies in Australien und die Indianer in Amerika und sie
haben auch die schwarze Bevölkerung in Afrika scharenweise aus
ihrer Heimat verschleppt, um sie zu Sklaven zu machen. Von den
Zahlreichen Glaubenskriegen und auch wirtschaftlich und
rassistisch/ antisemitistisch begründeten Kriegen, zu den auch
die beiden Weltkriege zählen, deren Ursachen und Anfänge in den
christlich dominanten Teilen der Erde liegen, ganz zu schweigen.
Die Moslems liefern mit der Idee vom
Heiligen Krieg (Jihad), der Abwertung des weiblichen Geschlechts
und der Intoleranz gegenüber anderen Religionen auch nicht gerade
die besten Überzeugungen dafür, dass ihre Religion (Islam), die
gerechtere ist.
Auch die Juden haben trotzt der
Jahrtausende Verfolgung und Exodus sich nicht daran gewöhnen
können, dass das Gewalt gegen die Menschen etwas Schlimmes sei.
Sie beweisen mit der Unterdrückung der Palästinenser gerade das
Gegenteil davon. In Judenstaat Israel findet seit einem halben
Jahrhundert jede Form von Gewalt, zu der die Menschen fähig sind,
statt.
Aber trotz aller Gegensätze, die man bei
allen Religionen findet, gibt’s stets Menschen, die einem die
guten Argumente liefern an Gott zu glauben und nicht zu zweifeln.
Hierzu Düchting in seinem Buch:
„Stirbt der Engel Pfau?“
»In diesem Zusammenhang sei auch eine
Anekdote berichtet, die mir während der Anhörung im Asylverfahren
einer älteren Yezidin passiert. Auf die Frage, welche Religion
nun die richtige sei, ihre yezidische oder meine christliche oder
die moslemische des Dolmetschers, meinte sie: „Ich weiß es nicht.
Aber lasst uns ein Abkommen machen. Wer die richtige Religion hat
und in den Himmel kommt, sorgt dafür, daß die beiden anderen
nachkommen können“. «
Ich glaube bescheidener und toleranter kann
man als Mensch auf solch eine Frage nicht antworten, deshalb
werde ich weiter nichts hinzufügen.
Hierzu möchte ich nur noch ein zweites
Beispiel zeigen und an dieser Stelle an den berühmten deutschen
Aufklärers erinnern und mich seiner Aussage anschlissen. Die Rede
ist von Gotthold E. Lessing (1729 bis 1781)
»„Nathan der Weise“ (aus dem Jahre 1779)
“Die Ringparabel!“
NATHAN.
Vor grauen Jahren lebt ein Mann in Osten,
der einen Ring von unschätzbarem Wert aus lieber Hand besaß. Der
Stein war ein Opal, der hundert schöne Farben spielte, und hatte
die geheime Kraft, vor Gott und Menschen angenehm zu machen wer
in dieser Zuversicht ihn trug. Was Wunder, dass ihn der Mann in
Osten darum nie vom Finger ließ, ‑ und die Verfügung traf, auf
ewig ihn bei seinem Hause zu erhalten? Nämlich so. Er ließ den
Ring von seinen Söhnen den Geliebtesten; und setzte fest, dass
dieser wiederum Den Ring von seinen Söhnen dem vermache, der ihm
der liebste sei; und stets der liebste, ohne Ansehen der Geburt,
in Kraft allein des Rings, das Haupt, der Fürst des Hauses werde.
Versteh mich Sultan
SALADIN.
Ich versteh dich. Weiter!
NATHAN.
So kam nun dieser Ring, von Sohn zu Sohn,
auf einen Vater endlich von drei Söhnen; Die alle drei ihm gleich
gehorsam waren, die alle drei er folglich gleich zu lieben Sich
nicht entbrechen konnte. Nur von Zeit zu Zeit schien ihm bald
der, bald dieser, bald der dritte, - sowie jeder sich mit ihm
allein befand, und sein ergießend Herz die andern zwei nicht
teilten, - würdiger des Ringes, ‑ den er denn auch einem jeden
die fromme Schwachheit hatte, zu versprechen. Das ging nun so,
solang es ging. – Allein es kam zum Sterben, und der gute Vater
kommt in Verlegenheit. Es schmerzt ihn, zwei von seinen
Söhnen, die sich auf sein Wort verlassen, so zu kränken. ‑ Was zu
tun? Er sendet in geheim zu einem Künstler, bei dem er, nach dem
Muster seines Ringes, zwei andere bestellt, und weder Kosten noch
Mühe, sparen heißt, sie jenem gleich, vollkommen gleich zu
machen.
Das gelingt dem Künstler. Da er ihm die
Ringe bringt, kann selbst der Vater seinen Musterring nicht
unterscheiden. Froh und freudig ruft er seine Söhne, jeden
insbesondere; Gibt jedem insbesondre seinen Segen, ‑ und seinen
Ring, ‑ und stirbt. - Du hörst doch, Sultan?
SALADIN (der sich betroffen von
ihm gewandt)
Ich höre, ich höre! - Komm mit deinem Märchen nur bald
zu Ende. - Wird's?
NATHAN.
Ich bin zu Ende. Denn was noch
folgt, versteht sich ja von selbst. ‑ Kaum war, der Vater tot, so
kömmt ein jeder mit seinem Ring, und jeder will der Fürst des
Hauses sein. Man untersucht, man zankt Man klagt. Umsonst; der
rechte Ring war nicht Erweislich; - (nach einer Pause, in
welcher er des Sultans Antwort erwartet)
Fast so unerweislich, als uns
itzt - der rechte Glaube.
SALADIN.
Wie? Das soll die Antwort sein auf meine
Frage?
NATHAN.
Soll mich bloß entschuldigen, wenn ich die
Ringe mir nicht getrau zu unterscheiden, die der Vater in der
Absicht machen ließ, damit sie nicht zu unterscheiden wären.
SALADIN.
Die Ringe! ‑ Spiele nicht mit mir! ‑ Ich
dächte, dass die Religionen, die ich dir genannt, doch wohl zu
unterscheiden wären. Bis auf die Kleidung, bis, auf Speis´ und
Trank!
NATHAN:
Und nur von Seiten ihrer Gründe nicht. -
Denn gründen alle sich nicht auf Geschichte? Geschrieben oder
überliefert! ‑ Und Geschichte muss doch wohl allein auf Treu und
Glauben angenommen werden? – Nicht? Nun, wessen Treu und Glauben
zieht man denn am wenigsten in Zweifel? Doch der Seinen? Doch
deren Blut wir sind? Doch deren, die von Kindheit an uns Proben
ihrer Liebe Gegeben? Die uns nie getäuscht, als wo Getäuscht zu
werden uns heilsamer war? ‑ Wie kann ich meinen Vätern weniger
als du den deinen glauben? Oder umgekehrt? - Kann ich von dir
verlangen, dass du deine Vorfahren Lügen strafst, um meinen nicht
zu widersprechen? Oder umgekehrt? Das Nämliche gilt von den
Christen. Nicht?
SALADIN.
Bei dem Lebendigen! Der Mann hat Recht. Ich
muss verstummen.
NATHAN.
Lass auf unsere Ring uns wieder
kommen. Wie gesagt: die Söhne verklagten sich; und jeder schwur
dem Richter, unmittelbar aus, seines Vaters Hand den Ring zu
haben. - Wie auch wahr! – Nachdem er von ihm lange das
Versprechen schon gehabt, des Ringes Vorrecht einmal zu genießen.
‑ Wie nicht minder wahr! - Der Vater, beteuerte jeder, könne
gegen ihn nicht falsch gewesen sein; und eh er dieses von ihm,
von einem solchen lieben Vater, Argwohnen lass: eh muss er seine
Brüder, So gern er sonst von ihnen nur das Beste bereit zu
glauben sei, des falschen Spiels bezeihen; und er
wolle die Verräter schon aufzufinden wissen; sich schon rächen.
SALADIN.
Und nun, der Richter? ‑ Mich verlangt zu
hören, was du den Richter sagen lässest. Spricht!
NATHAN.
Der
Richter sprach: Wenn ihr mir nun den
Vater nicht bald zur Stelle schafft, so weis ich euch von
meinem Stuhle. Denkt ihr, daß ich Rätsel zu lösen da bin? Oder
harret ihr, bis dass der rechte Ring den Mund eröffne? - Doch
halt! Ich höre ja, der rechte Ring besitzt die Wunderkraft
beliebt zu machen; vor Gott und Menschen angenehm. Das muss
entscheiden! Denn die falschen Ringe werden doch das nicht
können! Nun; wen lieben zwei von euch am meisten? Macht, sagt
an! Ihr schweigt?
Die Ringe wirken nur zurück? Und nicht nach
außen? Jeder liebt sich selber nur am meisten? – Oh, so seid ihr
alle drei betrogene Betrüger! Eure Ringe sind alle drei nicht
echt. Der echte Ring, vermutlich ging verloren. Den Verlust zu
bergen, zu ersetzen, ließ der Vater die drei für einen machen.
SALADIN.
Herrlich! Herrlich!
NATHAN:
Und also, fuhr der Richter fort, wenn ihr
nicht meinen Rat, statt meines Spruches wollt: Geht nur! ‑ mein
Rat ist aber der: ihr nehmt die Sache völlig wie sie liegt. Hat
von euch jeder seinen Ring von seinem Vater: So glaube jeder
sicher seinen Ring den echten. ‑ Möglich; dass der Vater nun die
Tyrannei des einen Rings nicht länger in seinem Hause dulden
wollen ‑ Und gewiss; Dass er euch alle drei geliebt, und gleich
Geliebt: indem er zwei nicht drücken mögen, um einen zu
begünstigen. – Wohlan! Es eifre jeder seiner unbestochnen von
Vorurteilen freien Liebe nach! Es strebe von euch jeder um die
Wette, die Kraft des Steins in seinem Ring an Tag zu legen! Komme
dieser Kraft mit Sanftmut, mit herzlicher Verträglichkeit, mit
Wohl tun, mit innigster Ergebenheit in Gott zu Hilf"! Und wenn
sich dann der Steine Kräfte Bei euern Kindes‑Kindeskindern
äußern: So lad ich über tausend tausend Jahre Sie wiederum vor
diesen Stuhl. Da wird ein weiserer Mann auf diesem Stuhle sitzen
als ich; Und sprechen. Geht! ‑ So sagte der bescheidne Richter.
SALADIN.
Gott! Gott!
NATHAN.
Saladin, wenn du dich fühlest, dieser
weisere versprochne Mann zu sein: ...
SALADIN (der auf ihn zustürzt
und seine Hand ergreift, die er bis zu Ende nicht wieder fahren
lässt)
O Gott!
NATHAN.
Was ist dir, Sultan?
SALADIN.
Ich Staub? Ich Nichts?
Nathan, lieber Nathan! Die tausend tausend
Jahre deines Richters sind noch nicht um. ‑ Sein Richterstuhl ist
nicht der meine. ‑ Geh! ‑ Geh! ‑ Aber sei mein Freund. «
Quelle:
(Gert Krell und Bernd W. Kubbig:
Krieg und Frieden am Golf)
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