Kapitel Zwei
Eine kurze
Reise in die unendliche Leidensgeschichte der Êzîdî
»Heger destê te î bi şûrê
qetlê bê
Gerek dilê te î bi rahma xwedê
bê!«
Das heißt wörtlich: „Wenn
deine Hände das Henkersschwert führen, so muss dein Herz voll von
Gottesgnade sein.“
Das ist einer von vielen
Grundlehren der Êzîdî. Sie haben in ihrer Geschichte immer wieder
bewiesen, dass sie solche Lehren nicht nur als schöne Worte
pflegen, sondern sie haben in der Tat auch danach gehandelt, aber
selber haben sie bis jetzt genau das Gegenteil von den Anderen
erfahren. Ihre Feinde haben das Schwert gegen sie immer gnadenlos
geführt.
Dazu Karl May in seinem Roman
„Die Wüste“ (1963) (Schreibweise und Rechtschreibung sind
beibehalten)
»Mein Name
ist Kamek«, begann er. »Ali Bei sendet mich zu euch«
»Kamek? Der
Bei hat bereits von dir gesprochen.«
» Wobei hat
er mich erwähnt?« .
»Es würde dir
Schmerz machen es zu hören«
»Schmerz?
Kamek fühlt niemals Schmerz. Alle Schmerzen, deren das Herz des
Menschen fähig ist, habe ich in einer einzigen Stunde
durchkostet. Wie kann es da noch ein Leid für mich geben?«
»Ali Bei
sagte, daß du den Miralay Omar, Amed kennst.« Keine falte seines
Gesichtes zuckte. Seine Stimme klang ganz ruhig, als er
antwortete:
»Ich kenne
ihn, aber er kennt mich noch nicht. Er hat mein Weib und meine
Söhne getötet. Was hat er vor? Glaubst du wirklich, daß sie
kommen werden, um unser fest zu stören?«
»Ich glaube
es.«
»Sie sollen
uns besser gerüstet finden als damals, wo meine Seele
verlorenging. Hast du ein Weib und Kinder?«
»Nein«
»Dann kannst
du auch nicht ermessen, daß ich lebe und doch längst gestorben
bin. Kennst du Tall Afar? «
»Ich habe
davon gelesen«
»Ich will dir
meine Geschichte erzählen. Ich wohnte in Mikran
(das wird das
Dorf Mîrkan gemeint sein) am Fuß des
Dschebel Sindschar, als die Türken über uns hereinbrachen. Mit
meinem Weib und zwei Söhnen flüchtete ich nach Tall Afar, denn
ich hatte dort einen freund, der mich bei sich aufnahm und
verbarg. Aber auch hier drangen die Türken ein, um alle Jasidi zu
töten. Mein Versteck wurde entdeckt und mein freund für seine
Barmherzigkeit erschossen. Ich wurde gefesselt und mit Weib und
Kindern vor die Stadt gebracht. Dort loderten die Feuer, in denen
wir den Tod finden sollten, dort floß das Blut der Gemarterten.
Ein Mülasim stach mir sein Messer durch die Wangen. Hier siehst
du die Narben noch. Meine Söhne sahen meine Qual und griffen ihn
an. Dafür wurden auch sie gefesselt. Ebenso erging es ihrer
Mutter. Man schlug beiden die rechte Hand ab und schleppte sie
zum Feuer. Auch mein Weib wurde verbrannt, und ich mußte es mit
ansehen.
Dann zog
der Mülasim das Messer und stach es mir in die Brust. Als ich
erwachte, war es Nacht. Ich lag unter Leichen. Die Klinge hatte
das Herz nicht getroffen, aber ich wäre trotzdem fast verblutet.
Ein Chaldäer fand mich am Morgen und verbarg mich in den Ruinen
von Kara Tepe. Es vergingen viele Wochen, bis ich wieder
aufstehen konnte. Mein Haar war in der Todesstunde meiner
Angehörigen weiß geworden. Mein Leib lebte wieder, aber meine
Seele war tot. Mein Herz ist verschwunden. An seiner Stelle
klopft und schlägt ein Name, der Name Omar Amed, denn so hieß
jener Mülasim. Er ist jetzt Miralay.«
Er erzählte
das in einem einförmigen Ton, der mich mehr ergriff als der
glühendste Ausdruck eines unversöhnlichen Rachegefühls. Die
Erzählung klang so monoton, als würde sie von einem Schlafwandler
vorgetragen. Es war schrecklich anzuhören. »Du willst dich
rächen?« fragte ich.
»Rächen? Was ist Rache?«
antwortete er gleichgültig. »Sie ist eine böse, heimtückische
Tat.«
Die Êzîdî wissen von 72
Genoziden zu berichten, die ihre Feinde gegen sie geführt haben.
Die genauen Umstände kann man aus heutiger Sicht leider nicht
mehr schriftlich und detailliert nachweisen. Aber wenn man die
Wohngebiete von Êzîdî und ihre geografische Lage betrachtet, dann
bedarf es sicherlich keine besonderen Erkenntnisse, um zu
erkennen, wie oft das Land Kampfarena verschiedener Großmächte
geworden ist und die dort lebende Bevölkerung aufgerieben wurde.
Dabei haben sie nicht selten auch große Verluste, sei es der
Verlust von Hab und Gut oder auch des Lebens, hinnehmen müssen.
Es handelt sich hier um das
Land, das dem Hauptgebiet der mesopotamischen Ebene, wo die
Urkultur der Menschheit begann und die Zivilisation ihrer
Geburtsstunde erlebt hat, umfast. Wenn man die Tatsache
berücksichtigt, dass die Bevölkerung eines Landes in dem die
Schrift erfunden ist heute mehrheitlich Analphabeten sind,
beweist, wie rücksichtslos die fremden Herrscher, nämlich die
Osmanen (Türken), Perser und Araber, über diesem Land geherrscht
haben und heute noch herrschen. Außer Teile-, Herrsche- und
Ausbeute-Politik und als Durchsetzungsmittel Verfolgung und
Unterdrückung der Bevölkerung haben sie sonst nichts im Sinn
gehabt und auch nicht praktiziert. Auch daran, wie das
geschichtsträchtigste Land der Erde systematisch
heruntergewirtschaftet wird, kann man sehen, welche Interessen
die Herrscher über diesem Land verfolgen, nämlich nur ausbeuten
und nichts investieren. Obwohl fast alle biblischen Geschichten
ihren Ursprung von hier aus genommen haben, irrt sich dennoch
nicht ein einzigster Tourist dorthin. Die Antwort auf die Frage:
“Warum“ überlasse ich meinen Lesern.
Wie die Urvölker dieses
Landes, bis zur Eroberung durch das islamische/ arabische Heer,
unter anderen Herrschahn, wie zu Zeiten von Assyrer, Meda, als
Alexander der Großen blitzartig über ihnen herfegte und nach ihm
das Römische Reich kam etc. lebten und welche Freiheiten sie, zu
jener Zeit, genossen, vermag heute keiner es so genau sagen.
Darüber gibt es sicherlich das eine oder das andere Schriftstück,
das einem helfen konnte, um sich darüber ein Fantasiebild zu
machen. Das ist aber, wie gesagt nur eine Fantasievorstellung.
Auch die Schriftstücke der Êzîdî, die vielleicht ein Licht über
diese finstere Seite der Mesopotamien und der eigene
Vergangenheit werfen könnten sind leider durch die gnadenlosen
Verfolgungen und Vernichtungen von Seitens ihrer zahlreichen
Feinden verloren gegangen bzw. vernichtet worden. Selbst ihre
heiligen Bücher „Mesafa Reş“ (das schwarze Mesaf) und „Celwa“
(das Buch der Offenbarung) konnten sie nicht mehr retten und sind
bis heute verschollen.
Dass die Êzîdî Bücher hatten
zeugen die Berichte von A. H. Layard. Er schreibt in seinem Buch
“Niniveh und Babylon“:
·
»...Kawal Jusuf hatte mir bei dem Feste versprochen, mir die
heiligen Bücher der Jezidi zu zeigen. Eines Morgens kam er mit
dem Geheimschreiber des Scheikh Nasr, dem einzigen Jezidi,
welcher die Bücher lesen konnte, und brachte mir einen Band, der
aus einigen zerrissenen Blättern von nicht sehr altem Datum
bestand...«
Weiter heißt es: »...Kawal Jusuf sagte mir, dass
dem grossen Blutbade, welches der Bey Rahwanduz unter der Secte
anrichtete, die Jezidi viele Bücher besessen hätten, die bei der
allgemeinen Verwirrung verloren gegangen, oder von den Kurden
vernichtet worden seien. Auch gestand er, dass das mitgeteilte
nur ein Bruchstück sei, und keineswegs das „Buch“, welches die
Theologie und die religiösen Gesetze der Jezidi enthalte, und gab
sogar zuverstehen, dass das grosse Werk noch vorhanden sei, und
ich bin keineswegs gewiss, ob sich nicht eine Abschrift davon in
Baascheikhan oder Baazani findet...« (Schreibweise und Gramethik wurden
beibehalten)
Das beweist, dass die Êzîdî
die Niederschrift ihrer Geschichte keineswegs vernachlässigt
haben und durchaus daran sehr interessiert waren ihre Nachkommen,
über ihre Geschichte aufzuklären. Aber wie man es heute weiß,
waren ihre Feinde sehr erbarmungslos und haben alle ihre
Hoffnungen und Mühen für eine bessere Zukunft immer wieder zu
Nichte gemacht.
Die Vernichtung dieser Bücher,
die nur aus purem Hass gegen diese Religion geschah, ist eine
nichtwiedergutzumachende Straftat gegen die gesamte Geschichte
Mesopotamiens und der Menschheit. Die Vernichtung dieser Bücher
hat das Leben unzähliger Menschen gefordert. Der Verlust dieser
Bücher ist ein sehr großer Verlust für die Geschichte
Mesopotamiens und eines kleines Volkes, das mit nichts wieder
gutzumachen ist.
Mir bleibt leider nicht
anderes übrig außer auf die von den europäischen Missionaren,
Reisenden und Abenteurer geschriebene Schriftstücke
zurückzugreifen, um meine eigene Geschichte und die von meinem
Vorfahren zu forschen. Dazu eignen sich nur wenige Bucher von
europäischen Schriftstellern, die sich häufig nur zufällig und
oberflächlich auch mit dem schmerzlichen Schicksal der Êzîdî
befast haben.
Die wenigen Bücher in denen
etwas über die Êzîdî geschrieben steht, sind meist selber von
Vorurteilen, falschen Zeugnissen und Halbwahrheiten geprägt. Man
sieht, dass diese Autoren, ausgenommen Austin Henry, Layard, ihre
Informationen und Berichte nicht selber reschhaschiert, sondern
sie aus den Vorurteilen, die von den Feinden der Êzîdî verbreitet
werden geschöpft haben.
Die Absichten für die
ständigen Heimsuchungen der ezidische Gebiete unter der
Herrschaft osmanischen Reiches waren nicht immer die Ausrottung
demselben, sondern oftmals wurden die Feldzüge gegen sie, auch
zum Zwecke der Menschenjagd und zum Füllen ihrer Staatskassen,
unternommen.
Austin Henry Layard schreibt
über diese Menschenjagden: (Aus dem Buch: Populäre Berichte über
die Ausgrabungen zu Niniveh)
·
»Hier ist zu erwähnen, dass Mohammedaner in ihrem Umgang mit
Bekennern eines anderen Glaubens einen Unterschied machen
zwischen solchen, die an die heiligen Bücher glauben, und
solchen, die keine Offenbarungswerke haben. Zu den ersteren
gehören die Christen jeder Benennung, weil sie zwei Testamente
angenommen haben, und die Juden, die sich zu einem bekennen.
Deswegen können sie mit Christen und Juden in Verbindung sein,
Frieden schließen und leben; mit allen anderen kann aber kein
Mohammedaner in Verkehr stehen. Keine Zusage und kein Eid, der
sie betrifft, ist bindend. Ihnen bleibt nur die Wahl zwischen
Bekehrung und dem Schwert, ja, es ist sogar ungesetzlich, von
ihnen Tribut anzunehmen. Da man nun die Jezidi nicht als »Meister
eines Buches« Betrachte, so sind sie seit Jahrhunderten der
Verfolgung von Seiten der Mohammedaner ausgesetzt gewesen. Aus
ihnen sind aber auch die Harems der Türken des Südens rekrutiert
worden. Alljährlich machen die Gouverneure der Provinzen
Expeditionen in ihre Distrikte. Während Männer und Frauen
unbarmherzig hingeschlachtet wurden, schleppte man Kinder
beiderlei Geschlechts fort und stellte sie in den bedeutendsten
Städten zum Verkauf aus. Diese Jährlichen Menschenjagden waren
für Beder Khan Bei
(kurd.= Bedir xan Begê Mîrê Bothan) eine Quelle von Einkünften, und es war
Brauch bei den Paschas von Mossul und Baghdad, die irregulären
Truppen auf die Unglücklichen Jezidi loszulassen – als eine
leichte Art, ihre Förderungen wegen rückständigen Soldes zu
befriedigen. Noch bis vor wenigen Monaten vor meiner Ankunft war
dieses System bis zu einem gewissen Grad in Gebrauch und gab zu
Grausamkeiten anlas, denen die des bekannten Sklavenhandels nicht
gleichkommen. .....«
Dazu auch bei Karl May:
»... »Warum
verfolgt man euch? «
»Dem
Mutasarrif ist unser Glaube gleichgültig. Er hat nur das eine
Ziel, reich zu werden. Dazu müssen ihm bald die Araber und die
Chaldäer, bald die Kurden oder die Jasidi helfen.«“
Man weiß heute, dass bis in
den dreißiger Jahren des 7. Jahrhundert die Kurden noch keine
Moslems waren. Erst ab dieser Datum fielen die moslemischen
Araber von der Seite Mosul her in Kurdistan ein und ein bis dato
andauernder sehr blutiger und vernichtender Krieg zwischen nicht
moslemischen Kurden und Moslemheer hat damit begonnen. Das Land
wurde verbrannt und Menschen geköpft. Zu beiden Seiten kam es zu
zahlreichen Verlusten. Die kurdischen Siedlungen wurden
entvölkert und Araber dort beheimatet.
Darauf folgten die ebenso
blutigen und sehr verlustreichen Aufstände der Kurden gegen die
osmanischen Xelîfa (Kalifen)
Von 685 bis 746 haben die
Kurden versucht sich gegen die Zwangsislamisierung zu wehren und
stellten sich gegen das Kalifat der Omayyaden, sie erhoben sich
um 764 um Mossul.
Von 816 bis 837 beteiligten
sich die Kurden an dem religiös motivierten Bauernaufstand des
Babakî Xoramî.
Der kurdische Prinz Cahfer (Dschafar)
schlug 839 ein Moslemheer des Kalifen im Dasin-Gebirge, musste
sich aber 845 einer neuanrückenden Armee beugen.
Die Kurden unterstutzten auch
Aufständen von fremden Volkern, so 875 der Sklavenaufstand
“Zendj“ in Basra gegen die islamische Aggression mit der Hoffnung
gemeinsam dies zu stoppen. Auch diesen gemeinsamen Aufstand haben
die Moslems besiegt und blutig niedergeschlagen.
Auch nachdem teilweise die
Kurden islamisiert waren gingen die Auseinandersetzungen zwischen
ihnen und den Araber weiter. Die Kurden wollten sich nicht einer
Fremden Kultur beugen und wenn sie ihre Religion nicht halten
können aber zumindest ihre Identität wollten sie um jeden Preis
behalten. Auch hier waren die Verluste auf Seiten der Kurden sehr
groß.
Der Statthalter von Mossul,
Hamdani ließ 906 nach Chr. 5.000 kurdische Familien verfolgen,
nachdem sich diese gegen die moslemische Herrschaft erhoben
hatten.
Eine Strafexpedition gegen die
aufständischen Hakkarî-Kurden wurde 980 nach Chr. von einem
Moslemheer unternommen. Nach dem sich die Kurden auf ein
Versprechen, dass ihr Leben für den Fall der Kapitulation
verschont bleibt, ergaben, wurden sie auf einer 25 km langen
Strecke beiderseits des Weges zwischen Mossul und Malatya
lebendig gekreuzigt. Tagelang war die Strasse ein Horrorbild von
Blut, Tränen und Unmenschlichkeit.
In der kurdischen Chronik „Fers-Nama“
etwa 1107 kann man nachlesen, dass im Zuge der
Zwangsislamisierung ca. 500.000 kurdische Familien ihren Leben
verloren haben.
Bis zum Eintreffen von Şêx Adî
(1075 – 1162 bzw. 64) bei den Êzîdî herrschte ein grausamer Krieg
zwischen Êzîdî und Moslems.
Besonders grausam waren die
Mongolen gegen die Kurden vorgegangen. Da sie sich, anders als
die meisten Bewohner Persiens, von den blutdurstigen und
raubsüchtigen Mongolen, die Plündernd über das Land zogen und
alles verwüsteten, was sie eroberten, zu Wehr setzten. Die
Mongolen unter ihrem Heerführer Hulagu (1217-1265) gingen gegen
sie äußerst barbarisch vor. Sie haben 1245 Şarazur (Sharazur),
1252 Diyarbakir und 1258 Bûxday (Baghdad) verwüstet. Überlebende
hat es so gut wie keine gegeben. Das hat ein Exodus der Bewohner
von zahlreichen Ortschaften, wie zum Beispiel die Bewohner von
Mossul gen Syrien bis nach Ägypten, ausgelöst.
Manche kurdische Führer zogen
es auch vor mit den Mongolen zu kollaborieren. Unter ihnen war
auch der Emir von Mossul, Bedredin Lulu. Ihm war viel daran
gelegen die Adawi-Kurden bei Laliş (Lalisch), die noch einen
erbitterten Wiederstand gegen die Mongolen leisteten mit der
Hilfe der Letzteren zu besiegen und zu vernichten. Er (der Emir)
hatte Angst, dass die Adawi-Kurden, die von Şêx Hasan Ben Adi
geführt später gegen Mossul ziehen wurden. Şex Hasan ist 1246
gefangengenomen und in Mosul erwurgt worden. Emir Bedretdin Lulu
unternahm 1254 eine neue Strafexpedition gegen die Adawi-Kurden:
Düchting zitiert bei Guest in seinem Buch „Stirbt der Engel
Pfau?“ wie folgt:
·
»Nach einer gewaltigen Schlacht wurden die Adawi-Kurden
vertrieben, einige wurden getötet, andere gefangengenommen. Lulu
kreuzigte hunderte und exekutierte weitere hunderte. Er befahl,
daß die Arme und Beine der Emire abgekackt und vor den Toren
Mossuls verstreut werden sollten. Er schickte ebenso Männer aus,
die Sheikh Adis Gebeine ausgegraben und verbrennen
sollten.«
Am Ende dieser Metzeleien
hinterließen die Mongolen das einst blühende Kurdistan
ökologisch, wirtschaftlich und kulturell verwüstet zurück. Die
Bewässerungssysteme waren zerstört und mehr als 80% der
Bevölkerung war entweder dem Schwert zum Opfer gefallen oder
vertrieben. Auch die verbliebenen waren brutal ausgebeutet und
das Handwerk war nahe dem Nullpunkt gesunken und mit dem Handel
und Verkehr war es nicht viel anders.
Weiter heißt es bei Düchting:
·
»Eine weitere mongolische Welle tauchte etwa um 1360 mit den
Heerscharen Timur Lengs (1336-1405) auf. Wieder erlebte Kurdistan
einen Terror- und Vernichtungsfeldzug, wieder wurden insbesondere
die nicht-moslemischen Kurden, die Widerstand gegen die Horden
Timur Lings leisteten, Opfer der mongolischen Eroberungsfeldzüge.
Eine Rebellion in Baghdad kostete beispielsweise allein 100.000
Zivilisten das Leben.«
Auch diese
Mongolische Invasion brachte nicht das Ende der Êzîdî und sie
existierten und lebten weiter.
In einem Bericht des
arabischen Historikers Maqrizi (gest. 1442) ist über einer
erneuten Verfolgung der Anhänger des Şêx Adi geschrieben. (Er
nennt die Verfolgten nicht Êzîdî oder Adawi, sondern Sohbetiye =
Genossenschaft) darin wird aus den Jahren 1415 berichtet.
Verschiedene persische und kurdische Fürsten, die von persischen
Theologen aufgehetzt wurden sammelten ein riesiges Heer, das
wegen angeblicher sexueller Exzesse in dieser „Sohbetiye“ gegen
die Anhänger des Şêx Adi im Hakkari-Gebirge vorrückte. Eine große
Anzahl von ihnen wurde umgebracht, andere wurden gefangen
genommen und versklavt. Nachdem man das Dorf Scheraliq (Es
handelt sich vermutlich um Laliş), wo sich das Grab Şêx Adi
befand, eingenommen hatte, machte man das Grabmal dem Erdboden
gleich. Die Gebeine des Heiligen wurden in Gegenwart seiner
Anhänger verbrannt. Das Grabmal ist gleich nach dem die
Kriegsscharen abgezogen sind wieder aufgebaut worden.
Da die Êzîdî wehrend der
osmanischen Herrschaft die Regionen an der Grenze zwischen den
Osmanen und dem Persien besiedelten, standen sie stets fast
ununterbrochen im Spannungsfeld zwischen zwei mit einander arg
verfeindeten und gegeneinander Krieg führenden Großmächten.
Wehrend die mehrheitlich
moslemischen Kurden sich auf der Seite von den ebenfalls
sunnitischen Osmanen stellten und gemeinsam gegen die
schiitischen Perser kämpften hielten sich die Êzîdî so gut, wie
es ihnen gelingen konnte, bedeckt. Sie haben auf diese Art und
Weise bis Ende der 18. Jahrhundert zeitweilig eine Art
Unabhängigkeit genossen.
Das bedeutet aber nicht, dass
sie gleichzeitig von den Verfolgungen verschönt blieben. Jedes
Mal, wenn die Großmächte gerade eine gegenseitige Kampfpause
vereinbarten wandten sie sich gemeinsam gegen die Êzîdî und
andere nichtmoslemische Volker in Kurdistan.
So auch Sultan Selim I.
(1512-1513) ließ 1513 aus Gründen der Spannungen zwischen dem
osmanischen Reich und dem schiitischen persischen Reich eine Art
Volkszählung unter den Anhänger der Schiiten in seinem Reich
durchführen. Daraufhin ließ er alle Männliche zwischen sieben und
siebzig Jahren hinmetzeln. Unter die Ermordeten waren auch
zahlreiche Zeroaster, Anhängers Zarathustras, Êzîdî und andere
nicht muslimische Minderheiten.
Sein Nachfolger Sultan
Süleyman II. (1520-1566) war religiös toleranter, vielleicht
deshalb, weil er die Erweiterung seines Reiches auf europäischen
Boden erreichen wollte und deshalb 1529 Wien belagerte. Es war
deshalb für ihn wichtig dabei von anderen Seiten des Reiches
nicht gestört zu werden und wollte im Osten Frieden. Um diesen
Frieden zu festigen verlieh er 1534 dem Êzîdi-Fürsten, Hussein
Begê Dasinî das sincaq (Sindjak) Erbil und das Vilayet Soran zum
Lehen.
Einige Êzîdî sind Anfang des
17. Jahrhunderts vor ständiger und immer brutaler werdenden
Verfolgungen gegen sie, geflüchtet und haben sich auf der sich 72
km erstreckenden Gebirgsfalte im Şingal-Gebirge, im Westen der
Provinz Mosul angesiedelt. Aber auch hier, im Şingal Gebirge
waren sie vor ihren Feinden nicht sicher und waren weiterhin den
erbarmungslosen islamischen Verfolgungen ausgesetzt.
Der erste Walli (Gouverneur)
von Diyarbekir, Melek Ahmed Paşa (Pascha) ging 1640 mit 70.000
Soldaten und bewaffneten Hilfstruppen gegen die Sacheli-Êzîdî des
Şingal-Gebirge (Schingal) vor, um sie zu bestraffen, weil sie
angeblich die Handelskarawanen und Mekka-Pilger überfallen
hatten.
Der Walli von Van, Şamsi Paşa
warf 1647/48 einen Aufstand der Êzîdî des Şêxan-Region nieder.
Mîrza Beg, der Emir von Şêxan, wurde gefangengenommen und
hingerichtet.
Der Nachfolger von Melek Ahmed
Pascha, Firani Pascha als Walli von Diyarbekir schickte 1655 eine
Mission nach Şingal-Gebirge um von den dort lebenden Êzîdî
Steuern einzutreiben. Diese Mission war erfolglos, weil die Êzîdî
bereits vor Antritt der Gesandten in den Bergen gefluchtet waren.
Die Steuereintreiber mussten diesmal mit leeren Händen
zurückkehren.
Auch die europäischen
Missionare die katholischen Ordensgeistlichen trugen zur
Verfolgung der Êzîdî bei. Nachdem sie von Sultan die Erlaubnis
kriegten in Kurdistan zu missionieren sind neben den Christen
auch die Êzîdî Opfer der christlichen „Bekehrungswut“ geworden.
Bald mussten sie eingestehen,
dass sie bei den von ihren Glauben fest überzeugten und
leiderfahrenen Êzîdî keine Chance haben. Außer zwei Êzîdî aus dem
Jebel Sim`an, die angeblich früher Şêxs (Scheichs) waren, die
1668 unter dem Absingen einiger ihnen völlig unverständlicher
lateinischer Hymnen auf die Namen Peter und Paul getauft wurden,
könnten sie kein Erfolg verzeichnen.
Der Walli von Baxdad
(Baghdad), Hasan Pascha griff 1715 die Êzîdî von Şingal, um sie
angeblich wegen vorangegangener Raubzuge zu bestraffen. Die
Bewohner haben sich zunächst nach Xatuniyê (Chatunie oder
Khatuniye) zurückgezogen, wo sie nach kurzer Zeit des
Wiederstandes kapitulieren mussten. Nach einem Massaker an den
Êzîdî übergab Hassan Pascha die Verwaltung des Şingal dem Şêx
(Scheich) der Tayy-Araber.
Süleyman Pascha ließ 1752/53
zahllose Menschen aus den Dörfern von Şingal töten.
1743 drang der persische Schah
Nadir in die ezidische Gebiete des osmanischen Reiches ein, um
den ezidischen Fürsten As zu unterwerfen, der in den Jahren zuvor
in westlichen Provinzen des persischen Reiches eingedrungen war.
Nachdem er mehrere tausend kurdische Hilfstruppen - zumeist
ebenfalls Êzîdî - rekrutiert hatte, schlug Schah Nadir den
Êzîdî-Führer, dieser wollte, denn Angaben zu folge, zunächst
Selbstmord begehen, ließ sich dann aber von Schah Nadir zum
“Gouverneur“ ernennen. Nach Nadirs Ermordung 1747 fielen die von
ihm eroberten Gebiete wieder an das omanische Reich.
Man könnte meinen, dass die
ezidischen Feinde in den folgenden Jahren die Verfolgung,
Vernichtung und Ausrottung aller Êzîdî zum Hauptziel ihrer
politischen Erfolge gemacht haben.
Man kann fast von
Vernichtungsfeldzügen im Jahresrhythmus gegen die Êzîdî,
insbesondere die im Şêxan- und Şignal-Gebiet lebende Stämme,
berichten.
Eimin Pascha, der Walli von
Mossul entsandte 1767/768 seinen Sohn mit dem Heer zur Plünderung
des Şingal. Dieser forderte von den Bewohnern 1.000 Stück Vieh.
Als diese ihm nur 800 Stück geben konnten, ließ er zahlreiche
Êzîdî umbringen.
Ein Aufstand Bedagh Begs, dem
Emir von Şêxan, in den Jahren 1770/71 gegen die osmanischen
Besatzer und den Fürsten Ismail Pascha von Amadiyê blieb
erfolglos und hinterließ erneut große Verluste. Bedagh Beg wurde
gefangen genommen und bestraft.
1773/74 ließ der Walli von
Mossul Amin Pascha abermals den Şingal plündern. Das ganze
wiederholte sich 1779, als er seinen Bruder zur Plünderung von
Êzîdî-Dörfer aussandte.
1785 unternahm Abd el Baqî,
der inzwischen Gouverneur von Mossul geworden war, eine
Strafexpedition gegen die Dennedî-Êzîdî östlich des Tigris.
Während seine Truppen die Êzîdî-Dörfer plünderten, wurden er und
sein Bruder von einigen Êzîdî überfallen und getötet. Seine
Truppen flohen daraufhin nach Mossul.
Um 1785 herum war Colo Beg,
Sohn des Bedagh Beg, Emir des Şêxan-Gebietes. Sein Versuch,
1786/87 in gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen dem Pascha
von Amedîyê und einigen seiner Verwandten auf Seiten Letzterer
einzugreifen, war erfolglos. Colo Beg wurde besiegt und musste in
die Berge fliehen. Kurz darauf (etwa 1790) unterlag er auch den
arabischen Tayy. Zwölf seiner Anhänger starben bei den Kämpfen,
woraufhin Colo Beg die Überfälle auf Tayy verstärkte und alle
Angehörigen des Stammes, derer er habhaft werden konnte,
umbringen ließ. Ein Jahr darauf ließ Fürst Ismail, der Pascha von
Amedîyê, Colo Beg ermorden und ernannte einen seiner eigenen
Gefolgsleute, Xancer (Khancar) Beg aus der zweithöchsten
Êzîdî-Familie der Basmarîya, zum Emir des Şêxan.
Bereits 1792 überwarf sich
Ismail Pascha aber auch mit Khancar Beg, ließ ihn inhaftieren und
setzte ihn durch den Sohn von Colo Beg, Hesen Beg, den er später
allerdings ebenfalls hinrichten ließ.
Das Şingal- Gebiet musste nach
1790 erneut unter fast jährlichen Plünderungen leiden.
- 1791/92 überfielen die
arabische Tayy Êzîdî-Dörfer in dem Gebirge.
- 1792/93 ließ der neue Walli
von Mossul, Mohamed Pascha, das Gebiet plündern und acht Dörfer
niederbrennen.
-1793/94 unternahm Mohamed
Pascha eine Expedition gegen die Kleinstadt Mihirkan, geriet
aber in einem Hinterhalt und wurde geschlagen.
- 1794 ließ Suleiman Pascha
von Bexdayê (Baghdad) eine Truppe gegen den Şingal ziehen und
sechzig Frauen entführen.
Zu einem größeren Feldzug
gegen die Êzîdî rüstete um die Jahrhundertwende Abdal al Aziz Beg
von Bexdayê (Baghdad), unterstützt von den Araberstämmen der
Obayd, Hamdanî und Tayy verwüstete er das Şêxan-Gebiet und
zerstörte 25 Dörfer.
Ali Pascha, der inzwischen
Walli von Mossul hieß, wollte in seine Fußstapfen treten und
beschloss 1802, den Şingal zu unterwerfen. Mit seinen Truppen
belagerte er den Nordhang des Gebirges, den Südhang ließ er durch
arabische Hilfstruppen bewachen. Mehrere Monate dauerte die
Belagerung. In deren Verlauf wurde (1803) eine Reihe von
Siedlungen der Êzîdî dem Erdboden gleichgemacht. Die Felder
wurden zerstört und sämtlicher Baumbestand wurde abgeholzt.
Schließlich mussten zahlreiche Êzîdî die ihnen Schutzgewährenden
Berge verlassen und sich verpflichten, ihre Dörfer in der Ebene
neu zu errichten. Mehrere Êzîdî-Familien wurden gefangengenommen
und als Sklaven verkauft.
1809/10 unternahm der
Gouverneur von Bexdayê, Süleyman Qatil, eine neue Expedition in
das Şingal-Gebirge, das damals unter der Führung Hussein Dublains
stand. Der Gouverneur plünderte die Städte Beled und Mihirkan
sowie einige Dörfer im Norden. Eine große Anzahl Êzîdî wurden
während des Feldzuges ermordet.
Wie ich bereits anderweitig
erwähnte, haben alle kurdische Beys ihre Stärke an die Wehrlosen,
wie die Êzîdî und Christen, gemessen, ehe sie sich offensichtlich
mit den Großmächten anlegen wollten. So war es mit dem Bey von
Rahwanduz nicht anders. Er schickte 1832 seine Streitkräfte gegen
die Êzîdî im Şêxan Bezirk und ließ ein Blutbad ohne gleichen
unter ihnen anrichten. Dabei wurde auch der Êzîdî-Oberhaupt Mîr
Ali Beg zusammen mit vielen seiner Gefolgsleuten gefangen
genommen und lebend nach Rahwanduz gebracht, wo sie schwerst
gefoltert wurden und anschließend einem Lynchmord zum Opfer
fielen. Emir Muhammad Pascha, der Bey von Rahwanduz ließ ihnen
die Hände und andere Körperglieder abkacken, weil sie sich nicht
zum Islam bekehren ließen. Manche von ihnen, denen er die Hände
abhacken ließ, würden frei gelassen und nach Hause geschickt
damit auch die übrigen, die ihm noch nicht in die Hände gefallen
sind, sich von seinen Grausamkeiten überzeugen können.
Auch A. Henry Layard schreibt
darüber in seinem Buch „Auf der Suche nach Ninive“ wie folgt:
·
»Noch vor einigen Jahren waren die Jezidi ein sehr mächtiger
Stamm. Ihre hauptsächlichsten festen Plätze befanden sich in der
Gegend, die ich jetzt besuchte, und im Dschebel Sindschar - einem
einsamen, sich in der Mitte der mesopotamischen Wüste erhebenden
Gebirge westlich von Mossul. Der letzte unabhängige Häuptling
der Jezidi von Scheichan war Ali Bei, der Vater des Hussein Bei.
Er war bei seinem Stamm beliebt und hinreichend tapfer und
geschickt im Krieg, um ihn lange Jahre gegen die Angriffe der
Kurden und der Mohammedaner aus der Steppe zu verteidigen. Der
mächtige Bei von Rowandus, der die meisten Stämme der Kurden aus
den umliegenden Gebirgen unter sein Banner vereinigt und seit
vielen Jahren den Türken und Persern getrotzt hatte, entschloß
sich, die von ihm gehaßte Sekte der Jezidi zu vernichten. Die
Streitkräfte des Ali Bei waren weit geringer an Zahl als die
seines Gegners. Er wurde besiegt und fiel in die Hände des
Rowandus-Häuptlings, der ihn töten ließ. Die Bewohner des
Scheichan flohen nach Mossul. Es war im Frühjahr; der Fluß war
über seine Ufer getreten und die Schiffbrücke abgebrochen. Einige
wenige kamen glücklich über den Fluß, aber eine große Menge von
Männern, Frauen und Kindern wurde an der anderen Seite gelassen
und versammelte sich dort auf dem großen Ruinenhügel von
Kujundschik. Der Bei von Rowandus folgte ihnen. Es begann ein
Morden ohne Unterschied der Person, und das Volk von Mossul sah
von seinen Terrassen aus das Hinschlachten der unglücklichen
Flüchtlinge mit an, die es vergeblich um Hilfe anriefen, - denn
beide, Mohammedaner wie Christen, freuten sich über die
Ausrottung der ihnen widrigen und ungläubigen Sekte, und kein Arm
erhob sich zu ihrer Verteidigung. Hussein Bei, den seine Mutter
in die Gebirge gebracht hatte, entkam dem allgemeinen Blutbad.
Er wurde von den Jezidi sorgfältig erzogen und von Kindheit an
als ihr Häuptling betrachtet. «
Der Gouverneur von Diyarbakir
Reşîd Paşa (Reschid Pascha) unternahm 1837 einen Feldzug gegen
die Gebiete östlich von Diyarbakir. Die hier lebende Bevölkerung
– hauptsächlich Êzîdî – wurden massakriert und die Überlebende in
die Sklaverei verschleppt. Auf den Rückzug unternahm er noch
einen Angriff auf Şingal. Die Êzîdî in dieser Region suchten in
den Berghöhlen Zuflucht. Die osmanischen Truppen zündeten aber
Feuer vor den Höhleneingang an, so dass die in ihnen versteckten
Êzîdî qualvoll erstickten.
Nachdem Reşîd Paşa Anfang 1837
an der Cholera starb, trat Hafiz Paşa in seiner Stelle ein.
Bereits wenige Monate nach seinem Amtseintritt fiel auch er mit
Truppen in den Şingal ein, um die Êzîdî ein für alle mal zu
unterwerfen. Als die Êzîdî der Aufforderung, sich zu ergeben,
nicht nachgek0mmen sind, begann ein dreimonatiger Kampf. Aus
Mangel an Munition mussten die Êzîdî schließlich doch noch
aufgeben. Am Ende der Massaker durch Reşîd Paşa in den Jahren
1836 und 1837 waren etwa drei Viertel der im Şingal lebenden
Êzîdî umgekommen.
Hafiz Pascha griff 1838 erneut
die Êzîdî von Şingal an. Nach mehreren Gefechten gelang es ihm,
sie zu besiegen und zu unterwerfen.
Auch der deutsche General
Helmut von Moltke, der ab 1835 an der Seite der osmanischen
Herrschaft als Militärberater gegen die Kurden und andere
Nachbarn der Osmanen kämpfte, berichtet über diese Massaker an
den Êzîdî. - An dieser Art militärischer Zusammenarbeit zwischen
den Deutschen und Türken hat sich bis heute nichts geändert-.
Unter dem Halbmond; S. 237
»Nach der Eroberung ist hier
furchtbar gehaust worden, fast alle Männer wurden niedergemacht,
die Weiber und Kinder in Sklaverei fortgeschleppt, weil sie
Yezidi waren. «
weiter auf der Seite 261
»Am anderen Morgen rückten wir
früh in das neue Lager; alle waren entzückt über einer mächtige
Quell, die ein silberhelles Bassin bildet, über große Nussbäume,
weite Kornfelder und einen fahrbaren Weg. Das Dorf wurde sofort
in Brand gesteckt, ich suchte vergebens dagegen einzureden: man
müsse den Flüchtigen Strenge zeigen, denen.... «
Weiter auf der Seite 264 heißt
es:
»Ich war währenddessen zu
Hafiz-Pascha geritten, welcher das Defilée geöffnet gefunden und
dem Kampfe unten von einem kleinen Hügel zusah; dorthin brachte
man die Gefangenen und Trophäen; Männer und Weiber mit blutenden
Wunden, Säuglinge und Kinder jedes Alters, abgeschnittene Köpfe
und Ohren, alles wurde den Überbringern mit einem Geldgeschenk
von 50 bis 100 Piastern bezahlt. ... ; der schweigende Kummer der
Kurden, die laute Verzweiflung der Frauen gewährten einen
herzzerreißenden Anblick.«
Auch Layard berichtet von den
Grausamkeiten von Reşîd Paşa und Hafiz Paşa, wie folgt:
·
»Bald darauf wurde der Sindschar von Mehemet Reschid Pascha und
zum zweiten Male von Hafiz Pascha unterworfen. In beiden Fällen
fand wieder ein Blutbad statt, und drei Viertel der Bevölkerung
gingen verloren. Die Jezidi suchten in Höhlen Zuflucht, wurden
aber entweder durch an der Öffnung derselben angezündete Feuer
erstickt oder durch Kanonenschüsse vernichtet. «
1844 griff der Kurden Bey,
Bedir Xan Beg, der Emir von Botan, die Êzîdî im Tur Abdin (kurd.
= Tora hevêrka) an, um diese zwangsweise dem Islam zu
unterwerfen. Viele Êzîdî wurden inhaftiert, unzählige wurden auch
umgebracht. Alleine die zu der Alireşana Klan gehörenden Êzîdî
klagten über 50 Opfer.
Insgesamt sieben Dörfer
unterwarfen sich und nahmen zunächst zum Schein den Islam als
Religion an. Daraufhin hat er als Zeichen seines Triumphes in den
Dörfern Moscheen bauen lassen. So ist auch die Mizgeft (kurdische
Name für Moschee) von Bacin entstanden. – Diese Moschee ist
später von den Êzîdî als Stallung für die Tiere benutz worden. -
Sobald er von den Türken verband worden ist, verjagten die Êzîdî
den von ihm eingestellten islamischen Vorbeter und blieben (bis
auf wenige Familien) ihre alte ezidische Religion weiterhin treu.
Ein weiteres Massaker gegen
die Êzîdî, abermals gegen die Bewohner von Şingal, unternahm der
Walli von Mosul, Tayyar Paşa, im Oktober 1846. Tayyar Paşa nahm
die Beschwerden zahlreicher Êzîdî über zu hohe Steuern zum Anlass
einer »Erkundungsreise« in das Êzîdî-Gebiet, um
»sich vor Ort über die Situation zu
informieren. «
Austin Henry Layard war
mitgereist und hat seinen Augenzeugenbericht über das barbarische
Hinschlachten von den armen Êzîdî wie folgt dokumentiert:
·
»Zwei Tage blieben wir in Tell Afar. Aus den ärmlichen Vorräten
der Bewohner war unsere Verpflegung, so gut es ging, aufgefüllt
worden. ... Man brach in die Häuser ein, und eine allgemeine
Plünderung erfolgte. Endlich am 13. setzten wir unsere Reise
fort.
Wir
erreichten am nächsten Tage Mirkan, eine der Hauptansiedlungen
der Jezidi des Sindschar. Seine Bewohner waren, als Mohammed
Pascha das Gebirge besuchte, gewaltigen Erpressungen ausgesetzt
gewesen, und viele hatte er hinrichten lassen. Sie erwarteten von
unserer Seite eine ähnliche Behandlung. Ihre Besorgnis ließ sich
durch keine Versprechungen beschwichtigen, und sie erklärten
ihren Entschluß, ihr Dorf auf das äußerste verteidigen zu
wollen. Der Pascha schickte einen Offizier seines Hofes mit
einigen wenigen irregulären Truppen hinauf, der sie beruhigen und
zum Gehorsam bringen sollte. Ich begleitete ihn. Als wir aber das
Dorf betraten, empfing uns eine Gewehrsalve. Zwei Reiter, die
zufällig - oder, wie es mir vorkam, ziemlich respektlos - dem
Offizier und mir vorausgeeilt waren, fielen tot zu unseren Füßen
nieder, und verschiedene von unserer Abteilung wurden verwundet.
Der Pascha, außer sich über diesen ohne vorherige Warnung
gemachten und mutwilligen Angriff, befahl sogleich den Hitas und
den arabischen irregulären Truppen, zum Angriff vorzugehen;
diese, lange schon nach Raub lüstern, stürzten auf das Dorf los.
Es war aber von den Jezidi bereits verlassen, sie hatten ihre
Zuflucht zu einer engen Schlucht genommen, in der sich
zahlreiche Höhlen und alleinstehende Felsen befanden.
Das Dorf wurde bald in Besitz
genommen, man drang in die Häuser ein und plünderte das wenige
übriggebliebene Besitztum. Einige alte Frauen und Greise, die man
in den kleinen, dunklen Räumen fand und die zur Flucht zu schwach
gewesen waren, wurden ermordet und der Kopf vom Rumpf getrennt.
In den reinlichen Wohnungen wurden nun flackernde Feuer
angezündet und das ganze Dorf den Flammen übergeben. Der alte
grauhaarige Pascha selbst lief stolprigen Schrittes zwischen den
rauchenden Brandstellen umher und schürte sie, wo das Feuer
nicht schnell genug um sich griff, eigenhändig an.
Die alte
türkische Mord- und Raubsucht war aus dem Schlummer aufgeweckt
worden; die Häuser waren bald bis auf den Grund niedergebrannt,
aber noch waren die Einwohner in Sicherheit. Sobald die
irregulären Truppen alles nur auffindbare bewegliche Eigentum an
sich gebracht hatten, gingen sie auf die Gebirgsschlucht los,
weil sie sich durchaus nicht vorstellen konnten, daß die Jezidi
es versuchen würden, ihnen Widerstand zu leisten. Sie wurden
aber mit anhaltendem und gut gezieltem Gewehrfeuer empfangen. Die
Vordersten fielen fast alle bis auf einen Mann. Die Höhlen lagen
hoch in den Felsen, und alle Versuche, sie zu erreichen, schlugen
fehl. Bis in die Nacht wurde gekämpft; dann wurden die
entmutigten und geschlagenen Truppen zu den Zelten
zurückbefohlen.
Am Abend
wurden die Köpfe der unglücklichen alten Männer und Frauen, die
man im Dorf gefunden hatte, in Parade im Lager herumgetragen; und
die Glücklichen, die eine solche Trophäe besaßen, wanderten von
Zelt zu Zelt und forderten eine Belohnung für ihre Tapferkeit.
Ich wandte mich an den Pascha, dem man vorgeredet hatte, jeder
dieser Köpfe gehöre einem mächtigen Anführer, und erhielt von ihm
nach einigen Schwierigkeiten die Erlaubnis zu ihrem Begräbnis;
aber die Truppen waren nicht willens, seinem Befehl zu gehorchen,
und erst spät konnten sie dazu veranlaßt werden, die blutige
Beute abzugeben, die sie in einer gräßlichen Reihe aufgepflanzt
und mit Fackeln beleuchtet hatten.
Am nächsten
Morgen wurde der Kampf wieder aufgenommen, aber die Jezidi
verteidigten sich mit nicht geringerem Mut. Der erste, der sich
in die Schlucht hineinwagte, war der Befehlshaber einer Abteilung
von irregulären Truppen, ein gewisser Osman Aga, aus Lazistan
gebürtig. Er marschierte kühn an der Spitze seiner Leute
vorwärts. An jeder Seite von ihm ging ein Suiter, der seine
Kesselpauke auf der Seite und Fuchsschwänze von der Mütze
herabhängen hatte. Er war kaum in die Schlucht hineingetreten,
als seine beiden Begleiter von zwei von den Felsen gezielten
Schüssen getötet wurden. Die Truppen stützten vorwärts und
suchten die Höhlen, den Zufluchtsort der Jezidi, zu erreichen.
Aber wieder wurden sie von ihren unsichtbaren Feinden
zurückgeschlagen. Jeder Schuß von den Felsen traf, während die
Truppen des Pascha nur aus dem dünnen Rauch, der den Flintenschuß
anzeigte, die Stellung der die Schlucht Verteidigenden erraten
konnten. Der Kampf dauerte den ganzen Tag, aber wieder ohne
Erfolg. Der Verlust der Hitas war sehr bedeutend; keine einzige
Höhle hatte man nehmen können, und kein Jezidi war, soweit die
Belagerer es angeben konnten, getötet oder auch nur verwundet
worden.
Am folgenden
Morgen befahl der Pascha einen neuen Angriff. Zur Ermutigung
seiner Leute begab er sich selbst in die Schlucht und ließ seinen
Teppich auf einem Felsen ausbreiten. Da saß er, mit dem größten
Gleichmut, rauchte seine Pfeife und unterhielt sich mit mir über
geringfügige Dinge, obgleich er das Ziel der Schüsse der Jezidi
war; mehrere Männer fielen, kaum zwei Meter von uns entfernt, tot
nieder, und die Kugeln trieben uns oft den Schmutz in die Augen.
Wie gewöhnlich ließ er sich seinen Kaffee bringen, und wenn die
Pfeife leer war, wurde sie wieder gestopft. Und er war nicht
einmal ein Soldat, sondern ein «Mann der Feder». Ähnliche Fälle
von unerschütterlicher Gleichgültigkeit mitten in Gefahr habe ich
bei Türken oft gesehen, wie sie von Europäern nicht verlangt und
gewiß nur höchst ungern nachgeahmt werden würden. Ungeachtet des
von Seiner Exzellenz gegebenen Beispiels und der Ermutigung, die
die Gegenwart des Paschas den Truppen gewährte, waren sie in
ihrem Versuch, die Jezidi herauszubringen, doch nicht glücklicher
als am vorhergehenden Tag. Man brachte die Männer einen nach dem
anderen tot oder sterbend aus der Schlucht heraus. Die
Verwundeten führte man zum Pascha, der ihnen Wasser oder Geld gab
oder ihnen Mut zusprach. Der Ordu Kadesi oder Kadi des Lagers
führte ihnen zu Gemüte, daß es Ungläubige seien, mit denen sie
kämpften; daß jeder, der durch die Hände der Feinde des
Propheten falle, zur Belohnung augenblicklich in das Paradies
gelange, während jene, die einen Ungläubigen töteten, auf das
gleiche Heil Anspruch hätten. Durch seine Versprechungen und
Ermahnungen wurden die Sterbenden getröstet und die Kämpfenden
ermutigt; er aber ging der Gefahr nach Kräften aus dem Wege und
hielt sich hinter einem Felsen auf. Der Kerl war ein Fanatiker,
und seine selbstzufriedene Miene, sein gemächlich fetter Wanst
hatten in mir Widerwillen und Ekel gegen ihn erregt, die durch
seine seltsame Auslegung internationaler Gesetze, welche er in
meiner Gegenwart gegen den Pascha aussprach, nicht vermindert
werden konnten. «Wenn ich diesen ungläubigen Jezidi einen Eid
schwöre», fragte Seine Exzellenz, «und sie infolgedessen, ihr
Leben sicher glaubend, sich ergeben sollten, inwieweit bin ich
dadurch gebunden?» - «Da die Jezidi Ungläubige sind, antwortete
der Ehrwürdige, seinen Bart streichend, gehören sie in dieselbe
Kategorie wie die anderen Ungläubigen», hierbei richtete er
seine Augen auf mich; «sie begreifen das wahre Wesen Gottes und
seines Propheten nicht, mithin kennen sie auch das Wesen des
Eides nicht. Folglich ist er nicht gültig für sie, und folglich,
da keine Verbindlichkeit vorhanden ist, kann er auch Sie nicht
binden. Sie könnten sie nicht nur mit dem Schwert umbringen
lassen, wenn sie sich Ihnen im Glauben auf Ihren Eid ergeben
hätten, sondern es ist sogar Ihre Pflicht als guter Moslem, es zu
tun; denn die Ungläubigen sind die Feinde Gottes und seines
Propheten. » Hierbei beehrte er mich wieder mit einem deutlichen
Seitenblick. Sobald der Erklärer des Gesetzes fort war, hielt es
der Pascha für gut, die grausamen Lehrsätze, die ich eben gehört
hatte, zu verdammen und mir zu versichern, daß der Kadi ein Esel
sei. Dieser Fanatiker, halb Kurde, halb Araber, war ein Beispiel
der religiösen Oberhäupter, die in Kurdistan und den an seinen
Grenzen liegenden Städten wohnen; sie hetzen die Moslems
beständig gegen die Christen auf und drängen sie zum
Blutvergießen. Daß die abscheulichen Ansichten, zu denen sie
sich bekennen, von keinem ehrenwerten Türken oder Moslem geteilt
werden, brauche ich wohl kaum zu erwähnen; und sie werden
hoffentlich - nun die Pforte ihre Autorität in Kurdistan
befestigt hat - nicht mehr Veranlassung geben, die christlichen
Untertanen des Sultans niederzumetzeln.
Während des Tages wurden
Versuche gemacht, die Jezidi zu bewegen, sich zu ergeben - wie
es schien, mit Hoffnung auf Erfolg. Die Nacht brach jedoch
herein, und noch immer dauerten die Feindseligkeiten an. Alle
bekannten Zugänge der Schlucht waren von regulären und
irregulären Truppen besetzt. Der Morgen kam, und der Angriff
wurde wieder begonnen. Aus dem Tal machte sich kein Zeichen von
Verteidigung bemerkbar. Die Hitas stürzten hinein; aber das
kräftige Feuer des vorhergehenden Tages setzte nicht mehr ein;
sie gingen vorsichtig vorwärts, doch noch immer schienen sie
unbeachtet. Jetzt blieben sie stehen, sie fürchteten einen
Handstreich oder Hinterhalt. Die Mündungen der Höhlen wurden
erreicht; niemand widersetzte sich ihnen. Es verging aber doch
einige Zeit, bevor sie hineinzusehen wagten. Die Höhlen waren
leer. Während der Nacht waren die Jezidi entflohen und hatten die
Schlucht auf einem nur ihnen bekannten Fußpfad, der der
Wachsamkeit der türkischen Soldateska entgangen war, verlassen.
In den Höhlen fand man nur einige rohe Figuren von Menschen und
Ziegen, die aus getrockneten, an Stöckchen befestigten Feigen
gemacht waren. Diese wurden von den Siegern in Beschlag genommen
und als Trophäen, die angeblich die Götter der (......)
darstellten, im Triumph durch das Lager getragen. Nachdem der
Pascha sich durch Beratung mit dem Ehrwürdigen von diesem Punkt
sattsam überzeugt hatte, befahl der Kadi, die Götzenbilder
sorgfältig einzupacken, und schickte sie sogleich als Trophäe und
wertvolle Kuriosität durch einen tatarischen Sonderboten nach
Konstantinopel.
Während man nun Versuche
machte, den Zufluchtsort der Geflohenen ausfindig zu machen,
blieb das türkische Lager in der Nähe des Dorfes Mirkan stehen.
Ich benutzte diese Gelegenheit, um andere Orte des Sindschar zu
besuchen. «
Die osmanischen Herrscher
haben sich mit der Verfolgung der Êzîdî alleine nicht zufrieden
gegeben. Sie mischten sich schon immer auch in ihren religiösen
Angelegenheiten ein und versuchten dies für ihre Zwecke zu
beeinflussen.
So setzte z. B. der Gouverneur
von Mossul, Helmy Paşa, im Februar 1853 den Oberhaupt der Êzîdî,
Mir Hussein Beg ab und nannte dessen Schwager Casim Beg, der
sogar aus der Êzîdî-Gemeinschaft „exkommuniziert“ (ausgetreten)
worden und deshalb bei ihnen äußerst unbeliebt war, zum Herrscher
des Şêxan-Bezirks. Als Casim Beg mit osmanischen Truppen nach
Baedri kam, floh Hussein Beg in den Region Şingal. Im Sommer 1853
wurde Hussein Beg aber bereits wieder in sein Amt eingesetzt.
Solche Eingriffe hatten nur
ein Ziel und zwar die Spannungen zwischen den Êzîdî zu verstärken
um sie so zu schwächen, aber diese Versuche könnten nur
scheitern, weil die Loyalität der Êzîdî gegenüber ihrer Religion
und dessen Vertreter unermesslich groß war.
1854 lehnte sich der kurdische
Fürst Yazdanshir Beg gegen die osmanische Herrschaft auf. Auch er
sah, wie alle anderen kurdischen Beys vor ihm seine Hauptfeinde
nicht in den Türken, sondern zunächst in den nichtmuslimischen
Minderheiten Kurdistans. Er brüste sich, er
»wolle das Blut eines jeden
Êzîdî, Juden und Christen trinken.« Er bot 100 Piaster für jeden
lebenden Êzîdî, der ihm gebracht werde, damit er ihm die Kehle
durchschneiden könne. Auch er ist wie seine Vorgänger besiegt
worden. Um das erreichen zu können, hat der Êzîdî-Oberhaupt, Mir
Hussein Beg es beschlossen gemeinsam mit osmanischen Gouverneuren
gegen dem Tyrann vorzugehen. Sie haben ihn 1855 besiegt und
unterworfen.
Nach diesen, gemeinsamen Kampf
gegen den Feind beider Seiten haben die Êzîdî eine kurze Periode
ruhigerer Zeit erlebt.
Die Osmanen erkannten den
Status der Êzîdî als eigene Religionsgruppe an, Mîr Hussein Beg
wurde sogar vom Sultan empfangen, der ihm den Titel “Kapi
Cuhaderi“ (Hüter des offiziellen Tores) verlieh. Sie sind auch
vom Wehrdienst in der türkischen Armee befreit worden. Ihnen ist
die Möglichkeit eingeräumt worden sich gegen die Zahlung einer
„Ablösungssteuer“ in Höhe von 50 türkische Lira vom Militärdienst
befreien zu lassen. Aber 1885 wurde nochmals beschlossen, dass
die Êzîdî neben der Zahlung der 50 Lira auch für eine kurze Zeit
Wehrdienst leisten müssten. Wehrend die Êzîdî in den Regionen
Halab/ Alepo, Diyarbakir und Van bereit waren dies zu
akzeptieren lehnten die Êzîdî in den Provinzen im heutigen Irak,
dies ab.
Aber diese Freihat war für sie
nicht von endgültiger Dauer, bereits um 1875 wurde Mîr Hussein
Beg unter dem Vorwand, er habe Unfrieden im Şêxan-Bezirk
gestiftet, inhaftiert. Sein jüngerer Bruder Abdi Beg übernahm
nun das Amt des Mîrs. Zwei Neffen von Hussein Begs, die diese
Unterdrückung nicht mehr erdulden bereit waren, lehnten sich
gegen das osmanische Heer. Beide wurden Besiegt und getötet.
Hussein Beg kam 1878 als
gebrochener Mann aus dem Gefängnis zurück; ein Jahr später 1879
starb er.
Ein weiterer Teil von Êzîdî
(etwa 3000 Menschen) flüchtete 1877 unter der Führung von Ali
Beg, einen Neffen Mîr Mîrza Begs vor osmanische
Vernichtungspolitik, in das russische Zarenreich und siedelte
sich in der Nähe von Alexandropol an. 1879 und 1882 folgte der
Sipkî-Stamm unter Omar Axa und siedelte sich in der damals
russisch besetzten Provinz Kars an.
Eine Volkszählung des Jahres
1897 ergab, dass etwa 15.000 Êzîdî in den russischen Gebieten
Transkaukasiens lebten. 1916 wurde ihre Zahl auf etwa 40.000
geschätzt.
In den Jahren 1891/92 kam es
erneut zu einem Vernichtungsfeldzug gegen die Êzîdî im
osmanischen Reich. Die Zahl der Êzîdî war inzwischen auf weit
unter einer Million Menschen geschrumpft und es hat zunächst
danach ausgesehen, dass das ihr endgültiges Ende sei.
Im Frühjahr 1891 brachte eine
aus einem Offizier und zwei moslemischen Mullahs (Prediger)
bestehende Delegation aus Istanbul die Botschaft nach Mossul,
der Sultan Abdul Hamid (1876-1909) habe beschlossen, dass die
Êzîdî moslemischen Ursprungs seien und zum „wahren“ Glauben
zurückkehren müssten; gleichzeitig wurde ihnen zu Last gelegt,
dass sie auch die Wehrsteuer der beiden letzten Jahre nicht
gezahlt hätten. Im Juli 1891 ist die gesamte Êzîdî-Führung nach
Mosul zitiert worden, wo man ihnen die Beschlüsse mitteilte. 22
von ihnen, darunter auch Mîr Mîrza Beg, wurden gezwungen die
ihnen, wegen der blauen Farbe, verbotener Uniform anzuziehen.
Am 19. August 1892 verlangte
General Omar Vahbi Paşa, der bis zur Ankunft der nächsten
Gouverneur, die Herrschaft in Mesopotamien/ Irak inne hatte, dass
die Êzîdî den islamischen Glauben oder zumindest eine der vom
Koran erlaubten Buchreligion annehmen müssten, ansonsten werde er
sie vernichten. Ein Viertel der anwesenden Führer der Êzîdî
weigerte sich, der Rest, unter ihnen auch der Mir Mîrza Beg,
sprach die Worte des moslemischen Glaubensbekenntnisses aus. Der
„überglückliche“ General telegrafierte daraufhin in die
Hauptstadt Istanbul, mehrere tausend Êzîdî-Familien insgesamt 1,1
Milionen Personen seien Moslems geworden. Als Belohnung für ihren
Übertritt wurden Mîrza Beg und sein Bruder Badi Beg den Titel
„Paşa“ verliehen und ihnen wurde obendrein noch ein jährliches
Gehalt von 2.000 Piastern zugesichert.
Mîrza Begs Bruder Ali Beg, der
es abgelehnt hatte sich bekehren zu lassen wurde verhaftet und im
Gefängnis gefoltert. Unterdessen hatten sich über 100 religiöse
Führer an den französischen Vizekonsul Siouffi gewandt und diesen
um Hilfe gebeten, wobei sie auch in ihrer verzweifelten Lage
andeuteten, dass sie eher bereit seien zum Christentum zu
konvertieren als unter solchen Umständen zum Islam gezwungen zu
werden. Siouffi erklärte, er werde sein bestes tun.
Im September 1892 war der neue
Gouverneur Osman Pascha in Mossul angekommen. General Omar Vahbi
Paşa, der auch als Ferik Paşa bekannt ist, (sein wahrer Name war
Michael Latas, war gebürtiger Österreicher und als Oberleutnant
in Bosnien wegen einer dienstlichen Zurücksetzung zu den Türken
desertiert, Mohammedaner geworden und angeblich wegen seiner
„Tüchtigkeit“ in kürzester Zeit zum General befördert worden)
unternahm eine „Strafexpedition" in die Êzîdîgebiete. Unterstutzt
durch die arabischen Şammar und moslemische Kurden drang man in
die Şingal- und Şêxanregion ein und drohte, alle Êzîdî zu
ermorden. Zahlreiche Dörfer wurden zerstört, Hunderte Êzîdî
wurden ermordet, noch mehr gefangengenommen. Auch das Heiligtum
des Grabes Şêx Adîs in Laliş wurde durch die Truppen Omar Vahbis
besetzt.
Der General ließ
das Heiligtum plündern. Das allerheiligste Sincaq wollte er nach
Mossul schicken. Er raubte auch eine Hammelfigur aus Bronze, eine
Stab und zahlreiche andere Gegenstände, die von einer Reihe
Heiliger stammen, da diese sich „im kaiserlichen Museum sehr gut
machen“ würden. Auf Geheimnisvollerweise verschwanden aber diese
Gegenstände bereits im Hauptquartier des Heeres. Der General Omar
Vahbi hat innerhalb des Heiligtums von Şêx Adî eine islamische
Lehranstalt (Medresse) eingerichtet. Er hat die Êzîdî gezwungen
das ihnen verbotenes Wort auszusprechen, wobei viele von ihnen
das Wort wie „Sultan“ aussprachen. Er zwang sie auch am
moslemischen Freitagsgebet teilzunehmen.
Inzwischen hatte man in
Istanbul von den Exzessen Omar Vahbis erfahren. Seitens der
europäischen Missionare und Konsulen wurden dagegen Proteste
eingelegt. Am 9. Dezember 1892 setzte Sultan Abdul Hamid den
General Omar Vahbi ab; Anfang 1893 wurde er nach Istanbul
zitiert. Die Situation im Şingal und Şêxan blieb aber weiterhin
spannungsgeladen. Die Şamar-Araber weigerten sich das geraubte
Vieh wieder an die Êzîdî zurückzugeben. Bereits im Oktober 1893
begannen neue Kämpfe, schließlich war der militärische Führer der
Êzîdî, Sofuk Axa, zu Verhandlungen bereit. Die Êzîdî erhielten
die Glaubensfreiheit zurück; eine starke osmanische
Besatzungstruppe blieb aber bei Stadt Şingal stationiert.
Die Êzîdî hatten zwar von nun
an „Religionsfreiheit“ aber der Preis dafür war für sie
unermesslich hoch: Die Êzîdî mussten zu lassen, dass islamische
Schulen in ihren Dörfern errichtet wurden. Das Grab Şêx Adîs
blieb für insgesamt 12 Jahre ein islamisches Derwischkloster mit
angeschlossener Lehranstalt.
Mîrza Beg und die anderen
prominenten, die zuvor unter massivem Druck zum Islam
konvertierten, kehrten wieder zum ihren alten Glauben zurück und
sie dürften auch die ihnen gewährte Privilegien behalten. Der
tapfere Ali Beg, der zuvor so standhaft seiner Religion treue
geblieben war, musste ins Exil nach Kastamuni in Nordanatolien.
Am Ende hatten die Êzîdî
wieder „Glaubensfreiheit“ aber ihre Zahl war stark dezimiert.
Einige Stämme z. B. der Êzîdî-Führer Hasanê Qenco und sein
Stamm, in dem Bezirk Batman, blieben Moslem. Die Êzîdî im Jebel
Simman blieben ihrer Religion treu; sie mussten jetzt aber
Wehrdienst leisten. Die meisten ezidischen Soldaten wurden in den
Jemen geschickt und kehrten von dort nie wieder zurück.
Den Posten des
Gouverneurs von Mossul erhielt schließlich Mustafa Nurî Paşa.
Dieser verhielt sich im Gegensatz zu all seinen Vorgängern der
Êzîdî gegenüber friedlicher. Er beseitigte die von Omar Vahbi
Paşa in Şêx Adî errichtete „Medresse“ und gab das Heiligtum an
die Êzîdî zurück. 1905 veröffentlichte Mustafa Nurî Paşa eine
Broschüre über die Religionsgemeinschaft der Êzîdî, die
allerdings voll von Vorurteilen ist und zur Weiterverbreitung und
Zementierung zahlreiche falscher Meinungen über die Êzîdî
beitrug.
Die Demütigungen der Êzîdî
gingen aber in voller Härte weiter. So wurde Mîrza Beg mehrfach
aufgefordert, seine Verbindung mit dem Islam zu erneuern oder er
wurde sein jährliches Gehalt verlieren. 1899 starb Mîrza Beg.
Sein Bruder Ali Beg war 1898 aus dem Exil zurückgekehrt und wurde
jetzt zum Emir gewählt. Die osmanische Verwaltung beschränkte
seine Autorität jedoch auf religiöse Angelegenheiten. 1913 wurde
Ali Beg umgebracht; Des Mordes wurden zwei Angehörige der
zweithöchste Êzîdîsippe der Basmarî, die Anfang des 17.
Jahrhunderts von der bis heute herrschenden Çolfamilie entmachtet
worden war, bezichtigt. Die Angebliche Mörder und ihre Angehörige
wurden zur Strafe umgebracht.
Nachfolger Ali Begs wurde
dessen minderjähriger Sohn Said Beg. Um die Regentschaft kam es;
leider wie es in der Vergangenheit so oft bei solchen
Gelegenheiten der Fall war, auch diesmal, zwischen Mayan Xatun
und ihrem Bruder zum Streit. Dabei bat jeder von ihnen jeweils
bei einen fremden Herrschaft um Unterstutzung gegen den Anderen.
Wehrend Mayan Xatun bei den Engländern um Unterstutzung bat,
gleichzeitig versuchte ihrer Widersacher und Bruder Îsmail Beg
diese bei den Russen zu bekommen.
Diese Streitereien dauern
teilweise noch bis zum heutigen Tag an und machen die übrigen
Êzîdî sehr traurig, über diesen Zustand. Die Letzteren haben,
längs damit begonnen, ihre religiöse und weltliche Führung
deswegen auch laut zu kritisieren.
Unter dessen dauerten die
Massaker gegen die Êzîdî im osmanischen Reich an. Ab 1911 wurden
diese, Angesicht den bereits erkennbaren Zerfall des Reiches
durch den Einfluss des Islams verstärkt. Insbesondere der
Divisionsgeneral Farik Paşa, der sich als Befehlshaber einer
neuen islamischen Eroberungswelle sah, unternahm zahlreiche
Massaker gegen die Êzîdî und andere nichtislamische Minderheiten.
In der Zeit von 1911 bis 1918
hat sich die ohnehin stark geschwächte Zahl der Êzîdî noch einmal
halbiert.
In dieser Zeitspanne hat auch
der heute als der erste Völkermord des 20. Jahrhundert bekannte
Holocaust gegen Armenier und andere christliche
Religionsgemeinschaften seinen Höhepunkt erreicht. Zu dieser Zeit
wurden mindestens 2 Millionen Menschen Armenier und andere
Christen massakriert. Dieser Holocaust war staatlich gelenkt und
das Ziel war, die Ausrottung aller Armenier und andere nicht
moslemische Minderheiten. Obwohl die Êzîdî nicht namentlich auf
der Ausrottungsliste aufgeführt waren, wurden sie dennoch Opfer
des islamischen Fanatismus. Oft genug sahen die örtlichen
Behörden in den Maßnahmen gegen die Christen eine willkommenen
Anlass, wieder einmal auch mit den Êzîdî abzurechnen. Mindestens
600.000 Êzîdî wurden bei diesem Genozid umgebracht.
Obwohl es bekannt war, dass
auch diejenigen gnadenlos verfolgt werden, die den „ungläubigen
Flüchtigen“ Schütz bitten, haben die Êzîdî im Tur Abdin und im
Şingal in einer selbstopfernden Aktion geschafft, mehrere tausend
Menschen christlichen Glaubens zu retten. Die Flüchtlinge wurden
in eigenen Häusern und in den Verstecken, die früher in
bedröhlichen Zeiten auch von den Êzîdî immer wieder benutzt
würden, versteckt bis die Gefahr vorüber war.
Ich hatte in diesem
Zusammenhang das Glück gehabt, noch mit mehreren Augenzeugen
dieser Zeit zu sprechen und sie erzählten alle, unabhängig von
einander aber übereinstimmend, dass man die auffälligen Kleider
der Christen gegen die typische ezidische Bekleidung getauscht
habe, um so der Gefahr zu entgehen, dass sie auf ersten
Augenblick erkannt werden. Etwa 20.000 verfolgte Armenier wurden
im Bereich des Şingal aufgenommen und so vor der zentral
gelenkten systematischen Vernichtung gerettet. Beim Şingal half
man, unter der Führung von Hamo ê Şero, weiteren 60.000 von der
osmanischen Armee gefangengehaltenen Armenier. Als die türkischen
Behörden von den Êzîdî unter Îsmaîl Beg die Auslieferung der
Armenier verlangten, weigerten diese sich, den Forderungen
nachzugeben. Die Boten, die den Befehl über die Auslieferung der
Armenier an die Êzîdî überbracht hatten, wurden ohne Kleider
zurückgeschickt.
Im Februar 1918 wurden
daraufhin türkische Verbände unter Enver Paşa und Hilfstruppen
der immer noch loyal zum osmanischen Reich stehenden Araber zu
Bestrafung der „Rebellen“ in den Şingal geschickt. Die Êzîdî
griffen die Regierungstruppen in der Nähe von Stadt Şingal an;
Der Angriff blieb aber erfolglos, wieder einmal mussten die Êzîdî
in die Berge fliehen und dort auf Unerstützung warten. In den
Engländern, die vom sich auflösenden osmanischen Reich die Rolle
der Kolonialmacht im südlichen Mesopotamien übernahmen, nahte
wenig später diese Hilfe.
Sobald die Gefahr vorüber war
kehrten die Christen in ihren Dörfern zurück bzw. wanderten, wie
die Êzîdî von heute, in die weite Welt aus.
Der erste Weltkrieg (1911 bis
1918) brachte auch das Ende der osmanischen Herrschaft mit sich.
Die Teilung von osmanischem Reichsgebiete wurde endgültig
beschlossen und der Vertrag ist am 10. August 1920 in Sevres
(Frankreich) unterzeichnet worden. In diesem Vertrag wurde dem
kurdischen Volk eine Autonomie versichert. Die Siegermächte haben
diese Zusicherung mit dem Vertrag von Lausanne (24. Juli 1923)
verworfen und stattdessen haben sie die endgültige Teilung des
kurdischen Landes beschlossen und damit die Verfolgung aller
Kurden, einschließlich Êzîdî bis in ewigen Zeiten besiegelt und
die Folgen sind bis zum heutigen Tag Verfolgung, Vertreibung und
Vernichtung. Als Durchsetzungsmittel wird die kurdische
Bevölkerung und ihre Städte von herrschenden Regimes nicht selten
auch mit Giftgas und anderen Massenvernichtungswaffen angegriffen
und vom Himmel bombardiert. Die schrecklichen Bilder von Halebja
(von 16. März 1988) hat mittlerweile jeder mindestens einmal und
mehr gesehen. An diesem Zustand hat sich bis heute nichts
geändert, die Kurden sind dazu selber zu schwach und die übrige
Welt hat keine Lust und auch kein Interesse daran etwas zu
ändern.
In den Augen von Großmächten,
die das Land unter sich geteilt haben, waren und sind heute noch
die Bodenschätze, die aus dem Land der Kurden ausgebeutet
(ausgeraubt) sind und werden wichtiger als das Leben der Kurden,
die man bis jetzt dafür geopfert hat und weiterhin opfern will.
Und Angesicht dieser Tatsachen wird ihnen auch das schmerzliche
Schicksal von solchen kleinen Gruppen, wie die Êzîdî nicht das
Geringste interessiert haben und wahrscheinlich ihnen auch in
Zukunft egal sein.
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