Kapitel Zwei



 

Nachteile für die Êzîdî durch die Teilung


 

Mit der Teilung von kurdischem Land sind auch die Êzîdî voneinander geteilt worden. Diese Teilung brachte nicht nur die Teilung von Familien, sondern auch, was in ihren Augen noch schlimmer war und ist, von ihrem Heiligtum Lalişa Nûranî. Und somit wurden sie auch von ihren jährlichen religiöse- und heiligen Zeremonien endgültig abgeschnitten. Manche von ihnen haben seitdem keinen Kontakt mehr zu ihren Geistlichen gehabt, - was normalerweise ein Muss ist -, weil diese in anderen Ländern lebten. Auch die Qewwals könnten ihre Pflicht, einmal im Jahr alle Êzîdî-Dörfer besuchen, nicht nachkommen. Weil es für die Êzîdî Pflicht ist mit dem Wasser von Kanîya Sippî getauft zu werden bringen die Qewwals das Wasser in die Dörfer, um die neugeborene Kinder damit zu taufen, auch das wurde ihnen mit der Teilung unmöglich gemacht. Ein weiterer schwerwiegender Nachteil für sie war es, dass auch denen unter ihnen, die auf der Suche nach einem Lebenspartner bzw. einer Lebenspartnerin waren dies sehr schwer, für manche fast unmöglich war. Die Êzîdî dürfen nur unter einander und jeweils aus ihrer Kaste heiraten. Die Zahl von Êzîdî ist in der Vergangenheit, durch die fast pausenlos gegen sie geführten Vernichtungsfeldzügen, stark dezimiert worden, so dass sie, lokal gesehen, nicht genug Jungen und Mädchen haben, um ihnen eine freie Auswahl des Lebenspartners zu ermöglichen. Das hatte zu Folge, dass auch zu Zwangsverheiratungen kam, was bei den Êzîdî nicht erlaubt ist. Sie sind deshalb auf einen unbeschränkten Kontakt zu allen Êzîdî in allen Ländern angewiesen. Das wurde ihnen aber durch die Teilung ihres Landes unmöglich gemacht. Manche von ihnen versuchten in dieser verzweifelten Lage, unter dem Einsatz ihres Lebens, illegal die flächendeckend verminten und ununterbrochen Tag und Nacht bewachten und deshalb beinahe undurchlässigen Grenzen, zwischen der türkischen Teil Kurdistan und anderen Teilen, doch noch zu überqueren um auf diese einzige Möglichkeit mit anderen Êzîdî in Kontakt zu bleiben. Das hat vielen von ihnen das Leben gekostet, bis sie sich doch ihrem Schicksal fügen müssten und aufgaben.

Die Êzîdî, die in der Sowjetunion lebten, waren von den Übrigen, spätestens zeit der Grenzziehung, völlig abgeschnitten. Einen Kontakt im Angesicht des kalten Krieges zwischen der Sowjetunion und anderen, pro amerikanische Länder, war undenkbar, geschweige denn möglich.  

Die Verfolgung der Êzîdî war mit der Zerfall vom osmanischen Reich und die darauffolgende Teilung des kurdischen Landes nicht zu Ende. Es ging im Rahmen der Türkisierung und Arabasierung aller Kurden in gewöhnter Art und Weise und Härte weiter. Sie waren von nun an zweifacher Verfolgung ausgesetzt. Zum Einen, weil sie Êzîdî waren und deshalb nie non ihren muslimischen Nachbarn akzeptiert und toleriert wurden und zum anderen, weil sie Kurden waren und von den Regierungen unter denen sie leben müssten nie anerkannt und deshalb verfolgt wurden.

Manchmal konnte man meinen, dass auch Gott den Feinden hilft und die Verfolgten auf seiner Art bestrafft. Ab 1940 an hat es mehrere Jahre in den Wohngebieten von Êzîdî kaum geregnet. Das hat eine Insektenplage ausgelöst, die jeder Strohalm fraßen, der aus eigener Kraft auf den dürren Feldern wuchs. Die Folge war eine bis in den sechziger Jahren andauernder Hungersnot. In ihrer Not sind einige Familien in den kurdischen Teil Syrien gewandert, mit der Hoffnung dort etwas Essbarem zufinden. Die Kinder, die die Hitze der Wüste nicht gewöhnt waren starben täglich zu Haufen. In dieser Zeit betrug die Sterberate unter den Kindern und Säuglingen,  nach der Angaben der Eltern zu beurteilen, in den ersten Jahren mindestens 95%. Auf die staatliche Hilfe dürfte keiner hoffen geschweige denken.

 

 
 

Zurück    *    Home   *   Weiter

 
Top
© Niviskar:  Ferhun Kurt 

 

Die chronologische Geschichte einer leiderprobten, kleinen Religionsgemeinschaft

 

 

 


Einfuehrung des Autors


Einleitung


Kapitel Eins


Kapitel Zwei


Kapitel Drei


Kapitel Vier


Anhang