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Kapitel Zwei
Staatliche Verfolgung
Hier einige Berichte aus
eigenen Erfahrungen und anderen Bekanten aus der Türkei
Ich habe als Kind miterlebt,
wie die türkischen Soldaten in fast regelmäßigen Abständen unser
Dorf überfielen und dabei jedes Haus durchsuchten. Dabei das
ganze Mobiliar und die Essensvorräte durcheinander schmissen und
verwüsteten. Nachdem sie mit ihren Verwüstungen fertig waren,
sammelten sie alle Dorfbewohner auf dem Dorfplatz, ohne Rücksicht
auf Alter, Geschlecht und gesundheitlichen Befinden.
Nachdem sie uns alle auf dem
Dorfplatz gesammelt hatten, teilten sie uns in zwei Gruppen; in
Kinder- und Frauengruppe und Männergruppe, zu den Männern zählten
auch die Jugendlichen ab 14 Jahren.
Hernach begannen sie mit der
Hauptvorstellung. Sie stellten zunächst die Männer in eine Reihe,
und legten die Männer einzeln der Reihe nach auf den Rücken. Zwei
Soldaten hoben deren Füße hoch, legten ein Maschinengewehr hinter
die Fersen und banden die Füße damit fest, die beiden Soldaten
hielten so ihre Füße oben. Zwei weitere Soldaten schlugen mit
Schlagstöcken auf ihre nackten Fußsohlen, bis sie bluteten.
Kinder und Frauen mussten unter Aufsicht der Soldaten diese
Grausamkeiten mit ansehen. Diese Vorstellung nannte man „Felaka“
(Bastonade).
Das Ganze diente nur dazu, um
uns Kinder und Frauen zu zeigen, wer der Herr im Lande ist.
Natürlich auch dazu, um uns Kinder die Angst für die Zukunft
aufzubauen.
Das ist die gängige Praxis,
die die Türkei seit der Gründung der Republik Türkei im Jahre
1923 gegen ihre kurdische Burger anwendet. Seit der Ausrufung an
kennen die Minderheiten in diesem Staat nichts anderes als
Verfolgung, Folter, Unterdruckung und Vertreibung, aber allen
voran mussten die Menschen kurdischer Abstammung darunter
massivst leiden, weil sie zahlenmäßig die stärkste Gruppe sind
und die Republik schon immer einen ungeheueren und großen Angst
vor ihnen hatte und hat, weil die Regierung und vor allem das
Militärregime der Meinung ist, dass sich die Kurden gegen die
Zentralregierung in Ankara lehnen könnten und wo möglich die
Gründung eines eigenen Staates anstreben werden. Deshalb hat die
Türkei von Anfang an auf Einschüchterung demselben angesetzt, um
möglichst diese gar nicht dazukommen zu lassen, an solche Ideen
zu denken.
Die Einschüchterung könnte nur
militärisch effektiv sein, so die Meinung der Regierung, und
deshalb wurde dem Militärangehörigen, die ihren Dienst in dem
Kurdengebiet leisten mussten, Narrenfreiheit gewährt, diese haben
wiederum den gesamten Ostteil der Republik, wo mehrheitlich von
Kurden bewohnt ist, in ein dauerhaftes Kriegsgebiet gewandelt.
Das Militär sah darin ihre Chance, ungehindert ihr Unwesen zu
treiben und gegen die zivile Bevölkerung aggressiv und brutal
auszutoben. Aber die Republik hat nicht damit gerechnet, dass
gerade solche Vorgehen die Menschen darin bestärken für ihre
Rechte zu kämpfen.
Jeder Kurde, ob Frau oder
Mann, der in diesen Teil des Landes geboren ist und dort gelebt
hat, kann mehrere Bücher voller selbst erfahrenen Leiden und
Schmerzen schreiben, die ihm die Soldaten der türkischen Armee
zugefügt haben.
Da ich ebenfalls in diesem
Teil der Welt geboren bin und bis zum 17. Lebensjahr gelebt habe,
sind auch bei mir einige Erinnerungen noch frisch, wenigstens so
frisch als ob sie gestern passiert sind. Nein, das liegt nicht
daran, weil ich mich unbedingt an diese Schreckenszeit erinnern
will, sondern weil ich die Grausamen Bilder nicht vor Augen
verschwinden lassen und aus dem Gedächtnis nicht wegdenken kann
Este Erinnerung
Es war im November des Jahres
1988, das Wetter war kalt und wir schliefen drinnen. Eines
Morgens als meine Mutter als erste am frühen Morgen aufstand,
wollte sie kurz nach draußen vermutlich um zu wissen wie das
Wetter ist. Kaum hatte sie ein Fuß hinter die Tür getan schnell
kehrte sie erschrocken wieder rein. Ich war selber auch wach,
aber lag noch im Bett. Ich habe sofort gesehen, dass was nicht
stimmte. Ich stand auch aus dem Bett und fragte sie was los sei.
Sie sagte: „Seid leise! Die Soldaten haben das Dorf lückenlos
umzingelt. Von allen Seiten strömen sie ins Dorf.“ In dem Moment
fiel mir auch kein Wort mehr ein.
Es hat nicht lange gedauert,
schön drangen die Soldaten zu zweit und mehr in jedem Haus ein
und haben den Bewohnern befohlen raus zu kommen. Wir (meine
Mutter, meine drei kleineren Bruder und ich) gingen sofort raus.
Da sahen wir wie die anderen Nachbarn alle draußen standen. Die
Soldaten hatten sich geteilt, ein Teil von ihnen drangen in den
von Bewohnern geleerten Häusern ein wehrend die Anderen mit
Maschinengewehren im Umschlag draußen auf die Bewohner achteten.
Die in den Häusern eingedrungenen Soldaten waren noch nicht
wieder draußen die anderen forderten uns mitzukommen. Wir liefen
vor ihnen weg und sie folgten uns mit ihren Gewehren im Anschlag.
So, wie man eine Herde Vieh vor sich treibt, haben sie uns zum
Dorfrand getrieben. Als wir dort ankamen war der Platz fast voll
von Menschen, Frauen, Kinder und Greise, ob krank oder gesund,
jeder müsste dorthin. Auch die Frau meines Onkels, die drei Tage
zuvor entbunden hatte würde aufgefordert dorthin zu kommen.
Auf dem Platz wurden die
Bewohner in zwei Gruppen geteilt, eine Frauen- und Kindergruppe
und eine Männergruppe, zu den Männern zählten auch die
Jugendlichen ab 14 Jahren. Die Männer wurden auf einem Feld im
Tall in einer Reihe gestellt, wehrend die Kinder und Frauen am
Abhang gehalten, so dass sie einen guten Überblick über das, was
den Männern angetan wurde, hatten und das Grauen mit ansehen
mussten. Dann begannen sie mit der Hauptvorstellung. Sie stellten
zunächst die Männer in eine Reihe, und legten die Männer einzeln
der Reihe nach auf den Rücken. Zwei Soldaten hoben deren Füße
hoch, legten ein Maschinengewehr hinter die Fersen und banden die
Füße damit fest, die beiden Soldaten hielten so ihre Füße oben.
Zwei weitere Soldaten schlugen mit Schlagstöcken auf ihre nackten
Fußsohlen, bis sie bluteten. Wir, die Kinder und Frauen, mussten
unter Aufsicht der Soldaten mit ansehen.
Angesicht dieser grausamen
Folter brach ein Geschrei unter den Frauen, und mit ihnen auch
die erschrockenen kleine Kinder und Babys aus. Dieser Alptraum
dauerte mehrere Stunden. Danach ließen die Soldaten von den
Männern und Frauen, stiegen in ihren Fahrzeugen und führen davon.
Die gefolterten Männer würden nach Hause getragen, jeder begann
seine Wunden selber zu behandeln. Und die übrigen, die noch
laufen konnten versuchten sich in umliegenden Bergen zu
verstecken, denn keiner konnte wissen ob die Soldaten nicht
wiederkommen.
Nachdem die Gewissheit in den
Menschen einkehrte, dass zumindest vorübergehend die Soldaten
abgezogen waren kehrten sie wieder in ihren Häusern zurück. Erst
Jetzt wurde das ganze schreckliche Ausmaß diesen Krieges
überschaubarer. Zwei Männer waren bereits in ihren Häusern fast
zu Tode gefoltert. Nach eigenen Angaben wurden sie auf den Bauch
gelegt und die Soldaten begangen samt ihrer Ausrüstung auf ihren
Rücken zu laufen, und manchmal wurden sie als Trampolin benutzt,
die Soldaten hupften samt ihre Ausrüstung auf ihren Rücken hoch
und runter. Einen von ihnen wurden dabei mehrere Knochen
gebrochen.
Ich war zu der Zeit neun Jahre
alt, musste wie all die anderen Kindern mit den Frauen das Grauen
mit ansehen.
Zweite Erinnerung
Es war im Sommer des Jahres
1980 die Soldaten haben einen Êzîdî aus Efşê, der seine Tiere von
einem Teich in der Nähe von dem Christendorf Arbû tränkte von
Soldaten angeschossen, und seine Tiere unter dem Vorwand er
wollte die Tiere illegal über die Grenze nach Syrien bringen und
dort verkaufen, im Besitz genommen. Nach dem sie hier fertig
waren führen sie in ihren Fahrzeugen der Ölpipeline entlang. Die
Hirten aus unserem Dorf, die von diesem Ereignis nicht wüssten
weideten ihre Tiere in der Nähe von dieser Pipeline. Als die
Soldaten die Hirten sahen stiegen sie aus ihren Fahrzeugen aus
und haben ohne Grund und Vorwarnung mit ihren Maschinengewehren
das Feuer auf die Hirten eröffneten und ihnen befohlen sich zu
ergeben. Die Hirten, die zum Teil noch kleine Kinder waren, -
einer von ihnen, Namens Xalis, war erst acht Jahre alt- wüssten
nicht was los sei und ergaben sich, wie man es ihnen befahl. Fünf
von ihnen darunter auch Xalis würden gleich am Ort und Stelle
verprügelt. Nachdem man glaubte sie haben genug bekommen, wurden
die zwei jüngsten von ihnen freigelassen. Die anderen Drei sind
mitgenommen worden. Zwei von ihnen wurden erst nach einer Woche
Haft und Folter freigelassen. Einem von ihnen Namens Şiweş waren
mehrere Rippen gebrochen, dem anderen Namens Sitkî hatten sie
seinen Schnurbart mit Feuerzeug abgebrannt. Der andere, Namens
Mahmed, der erst einige Tage später als seine beiden
Leidensgenossen freikam, könnte kaum laufen und reden.
„Ich lag auf dem Boden und
zwei Soldaten schlugen mich mit ihren Schlagstocken, wehrend mich
gleichzeitig der Kommandanten befragte. So Şiweş später. Nach dem
sie der Meinung waren, dass ich genug bekommen habe und werde
jetzt reden, hörten sie auf, mich zu schlagen.“ „Nun mein Sohn,
willst du jetzt reden und mir sagen, wo eure Waffen versteckt
sind? Fragte der Kommandant. „Dar ich keine Waffen besaß und
deshalb keine versteckt haben könnte, könnte ich ihn auch kein
Versteck nennen. Deshalb sagte ich: mein Kommandant ich habe
keine Waffen, die ich versteckt habe.“
„O doch ich weiß, dass ihr
alle Waffen besitzt und sie irgendwo versteckt habt, aber du
sollst dich nicht fürchten, du brauchst nur sagen wo das Versteck
ist und wir lassen dich wieder frei.“ Sagte der Kommandant.
„Mein Kommandant ich habe nie
Angst und auch vor Ihnen fürchte ich mich nicht, ich schwöre bei
meinem Gott und bei der Ehre des Staates, dass ich keine Waffen
besitze.“ Die Bemerkung: „auch vor Ihnen fürchte ich mich nicht“,
hat ihn so gezürnt. Jetzt hat er selber Hand angelegt und fragte
mich ob ich verheirat bin und Kinder habe. Ich sagte ihm, dass
ich verheiratet bin und drei Kinder habe.
„Du sollst dich glücklich
schätzen, dass du bereits Kinder hast, denn ich werde dafür
sorgen, dass du nie wieder Kinder Zeugen wirst. Wenn ich mit dir
fertig bin, wirst du dazu nicht mehr fähig sein.“
„Nach dieser Drohung sprang er
auf meinem Bauch hat sein rechtes Bein zwischen meinen Schenkeln
gelegt und gab mir mit der Knie einen Hieb zwischen die Beine.
Gleichzeitig packte er mich mit beiden Händen in den Hals.
Augenblicklich dachte ich, dass das mein Ende ist. Dann stand er
auf stieg auf meinen Bauch fing an auf meinen Rippen zu trampeln.
Dabei hat er mir mehrere Rippen gebrochen. Ich weiß nicht wie
irgendwann hat er aufgehört.“
Şiweş lebt in Deutschland und
ein Arzt hat seine Rippenbrüche bestätigt.
Dritte
Erinnerung
Es war im Sommer 1980 in
Kevnas. Die Soldaten haben die männlichen Bewohner diesen Dorfes
in der Dorfschule versammelt ihre Personalien aufgenommen. Die
Gefangenen mussten drei Tage von Sonnenaufgang bis
Sonnenuntergang nackt draußen in der brandheißen Sonne stehen.
Die Männer müssten sich jeden Tag bei dem Kommandanten melden.
Damit sie vom neuen gefoltert werden. Bis dato wissen die
Gefolterten den Grund dafür nicht, warum sie so leiden mussten.
Diebstahl
(1982) Als ich eines Tages
meine Schafe in der nähe der Erdölpipeline weidete, fuhr eine
Soldatenpatrouille der Pipeline entlang. Als sie meine Tiere dort
sahen, hielten sie an und der Befehlshaber stieg aus dem Fahrzeug
aus, kam auf meine Tiere zu, nahm meinen Schafbock und brachte
ihn zu seinem Fahrzeug. Als ich ihn fragte, was er damit machen
will, bekam ich als Antwort: »Ich habe Appetit auf
Hammelfleisch« Ich dürfte dafür natürlich auch keinen Preis
von ihm, einen Staatsmann, verlangen. Ich dürfte mich dagegen
nicht wehren, schon gar nicht beschweren, denn das hätten sie mir
als Widerstand gegen die Staatsgewalt zur Last gelegt.
Zwangsarbeit
Wer glaubt, die Zeiten der
Sklaverei und Zwangsarbeiterei seien längst vorbei und gehören
deshalb der Vergangenheit. Ich sage aus eigenen Erfahrungen, der
irrt sich gewaltig.
Ab 1981 wurden die Bewohner
der Dörfer, die entlang der erst 1975/76 gebauten Ölpipeleine
liegen, dazu gezwungen, jeder Nacht von Sonnenuntergang bis
Sonnenaufgang, bei jeder Wind und Wetter, diese zu bewachen und
das natürlich auch ohne Lohn. Davon konnte und dürfte sich
niemand befreien. Wer selber nicht könnte musste selber aus
eigener Tasche jemanden bezahlen, der an seiner Stelle Wache
halten sollte. Von dieser Sklaverei waren auch die Êzîdî und zwar
die Bewohner von Denwan, Koçan, Kevnas und Kîwex betroffen. Das
dauerte so lange bis die Bewohner ihre Dörfer gänzlich verlassen
haben und nach Europa geflüchtet sind. Auch ich musste mehrere
Nächte Wachestehen. Mehrmals kam auch ein Kontrollfahrzeug vorbei
gefahren, um zu kontrollieren, ob wir unerlaubt eingeschlafen
oder nach Hause gegangen sind. Auch Soldaten haben mit uns Wache
gehalten, aber ihnen war es verboten sich mit uns zu unterhalten.
Damals war ich 15/16 Jahre alt. Aber ich hatte keine Möglichkeit
gehabt mich davon zu befreien.
Ich könnte auf dieser Weise
mit meinen Erinnerungen fortfahren, aber das wird den Rahmen
dieses Buches sprengen, deshalb höre ich an dieser Stelle auf. |
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