Kapitel Eins
Der Tod
»Gilgameš, wohin eilst du
denn?
Das Leben, nach dem du
suchst, wirst du nicht finden.
Als die Götter die
Menschheit erschaffen hatten, da haben sie ihr den Tod
zugewiesen;
das Leben aber haben
sie für sich in der Hand behalten.
Dein Bauch, Gilgameš,
sei voll, bleibe fröhlich Tag und Nacht...
Jeden Tag veranstalte
ein Freudenfest, Tag und Nacht tanze und spiele!
Dein Gewand strahle
vor Reinheit, wasche dir das Haupt, bade dich!
Betrachte liebevoll
den Kleinen, der dich an der Hand faßt,
deine Frau sei
glücklich, wenn sie sich an dich schmiegt...
Das ist die einzige
Aussicht, die der Mensch hat.«
Quelle Barthel Hrouda
(Der alte Orient)
„Mirin ji mijguwele çavan
nêzîktira“
„Der Tod ist näher als
die Augenwimper“. So beschreiben die Êzîdî den Tod.
„Ev` erde xane` evd û
beşer bazergane
Hineka mala xwe (xo)
barkir,
hineka ji nuva dane
Binademo hezar salî temam
key
Mîratîyê li şerqê heta bi
şam key
Dimayîkê derdê ji kasa
mirinê taahm key“
»Diese Erde ist wie ein
Marktplatz, manche räumen auf und andere rücken nach.
Adams Sohn wenn du
tausend Jahre lebst und von Osten bis nach Westen beherrschst am
Ende wirst du von dem Todeskelch kosten.«
Quelle: Pîr Xidir
Der Tod ist bei allen
Menschen, in allen Kulturen und auf allen Kontinenten etwas
Besonderes. Jeder hat eigene Theorien darüber entwickelt und
nicht alle gehen damit gleich um, aber alle haben dennoch das
wesendliche gemeinsam, nämlich für alle bedeutet der Tod das Ende
vom diesseitigem Leben. Viele Theorien und Fantasien haben die
Menschen darüber entworfen um sich bildhafte Vorstehllungen von
einem Leben danach zu machen. Bewiesen ist aber bis dato keines
davon. Und so oder ähnlich, - von Region zu Regionen kann es
kleine Unterschiede geben1), gehen die Êzîdî mit dem
Tod um:
Wenn jemand aus der
ezidischen Gemeinschaft stirbt, weinen seine Verwandte und
Freunde. Das tun sie meist laut und klagend. Wenn man sie trösten
will, dann sagen sie meistens, dass sie nicht um den Gestorbenen
weinen, sondern um sich selbst. Der Gestorbene ist, wie alle
anderen, die vorher gestorben sind, erlöst. Die Toten leben dort,
wo ihr wahres Zuhause ist. Wir sind ihnen nicht im Vorteil,
sondern im Nachteil. Sie sind fortgegangen und wir werden ihnen
folgen müssen. Die Weinenden klagen über ihre Hilflosigkeit und
Ohnmächtigkeit auf der Erde und nicht, weil jemand von ihnen
gegangen ist.
Die Êzîdî glauben,
dass der Mensch durch den Tod in einen anderen Lebensabschnitt
eintritt.
Die Êzîdî glauben auch
an die Wiedergeburt. Das gilt aber nur für die, die in ihrem
diesseitigen Leben keine Sünden begangen haben. Also, die
Zugehörigkeit zu der ezidische Religion ist keine Garantie dafür,
dass man nach dem Tode ins Paradies kommt und auch nicht dafür
dass man wieder geboren wird (Seelenwanderung) man muss für beide
Ziele, auch als Êzîdî gute Taten vollbringen.
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