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Kapitel Zwei
Im Irak
Wie die Lage der Kurden im
Irak im allgemeine ist kennt mittlerweile jeder ausführlich aus
den Medien und anderen Literatur-Werken. Die Geschichte der
Kurden ist ausführlich und reichlich dokumentiert. Deshalb mochte
ich mich hauptsächlich auf die Lage- und Geschichte der Êzîdî
beschränken.
Das irakische Regime ist sehr
bemuht die Êzîdî nicht als Kurden, sondern als Araber
abzustempeln. Sie hat es auch versucht diese These von Zeugen aus
den ezidischen Reihen, und zwar damit es unbestritten ist, dies
von ihren Geistlichen, die zuvor natürlich eingeschüchtert waren,
zu bestätigen. Damit auch in Zukunft kein Zweifel mehr besteht
wurde per Gesetz 1978 beschlossen, auch die Urkunden von Êzîdî,
in den die Volkszugehörigkeit geschrieben stand, umzuschreiben.
Am 17.Oktober 1978 haben die Behörden damit begonnen das Gesetz
umzusetzen und die Urkunden von Êzîdî wurden umgeschrieben,
wonach sie von nun an „Araber“ waren.
Die Êzîdî wurden offiziell von
staatlicher Seite „nicht verfolgt“, aber auf sie wurde und wird
immer noch, im Rahmen der Verfolgung und Vertreibung des
kurdischen Volkes, nicht die geringsten Rücksichten genommen,
auch, wenn sie dabei Giftgas einsetzten. Seit 1963 ist es
verboten in den Schulen ezidischen Religionsunterricht zu geben.
Als 1975 zum Deportation von Kurden aus ihren Dörfern kam, waren
auch die Êzîdî davon betroffen. Im Şêxan-Gebiet wurden die
Bewohner von Sieben Dörfern aus ihrer angestammten Heimat
deportiert und in den sogenannten „Sicherheitsdörfern“ in leicht
kontrollierbaren, eigens dafür eingerichteten Dörfern deportiert.
Sie haben seit dem kein Land und auch keinerlei Existenzgrundlage
mehr. Gleichzeitig wurden Araber in ihren Dörfern, aus denen sie
getrieben worden sind, eingesiedelt und das Land unter ihnen
verteilt. Wehrend die Araber bewaffnet wurden hat man die Êzîdî
entwaffnet. Hier einige Beispiele für das Deportation von Êzîdî:
Im Jahre 1978 wurden 126 ezidische Dörfer gewaltsam durch das
irakische Regime auf zehn Dörfer reduziert.
Acht ezidische Dörfer um die
Stadt Duhok wurden zerstört. Die Einwohner wurden nach Shariya
verschleppt. Die in den Dörfern im Elqush-Gebiet lebenden Êzîdî
wurden gezwungen ihre Dörfer zu verlassen und in die Dörfer
Sheikha und Naseriye umsiedeln. Die Êzîdî aus den Dörfern im
Feyde-Gebiet mussten in das Dorf Babire umzusiedeln. Im
Silîvanî-Gebiet wurden 13 ezidische Dörfer zerstört. Der
Êzîdî-Stamm Hewerî wurde mit Gewalt aus seinem Wohngebiet
vertrieben. Die Êzîdî im Simele-Gebiet mussten ihre 13 Dörfer
aufgeben und in das Dorf Khanikê umsiedeln.
Die religiösen Führer der
Êzîdî (mit ihnen auch Mir Tahsin Beg) haben eine Bittschrift an
dem Diktator Saddam Hussein geschrieben. Darin haben sie ihn
persönlich gebeten das Land wieder ihren rechtmäßigen Besitzern
zurückzugeben. Damit es sicher ist, dass er es bekommt, haben sie
das schreiben seinem Sohn Qusei gegeben und er hat ihnen
gegenüber versprochen seinem Vater das Schreiben persönlich zu
geben. Darauf hat der Diktator nie geantwortet und die Êzîdî
haben ebenfalls ihr Land noch nicht wieder bekommen.
Stattdessen haben die Araber
1994 zwölf ezidische Jugendliche getötet und ein Attentat auf dem
Wagen von Mir Tahsin Beg, dem weltlichen Oberhaupt aller Êzîdî
verübt. Dabei ist sein Fahrer und ein Begleiter getötet worden.
Er selbst ist, wie durch ein Wunder am Leben geblieben. Nach
eigenen Angaben wurde er von Gewehrkugeln durchsiebt, und er hat
alle, wie durch ein Wunder überlebt.
»Über das Schicksal Tausender Menschen, die in früheren Jahren
dem »Verschwindenlassen« zum Opfer gefallen waren, bestand
weiterhin Ungewißheit. Zu den »Verschwundenen« zählten Hunderte
vermeintliche Mitglieder von Oppositionsgruppen und ihre
Angehörigen, die bei der Übernahme von Arbil durch irakische und
KDP-Kräfte festgenommen worden waren; (...)
schätzungsweise 100000 kurdische Zivilisten, die 1988 im Zuge der
sogenannten »Operation Anfal« dem »Verschwindenlassen« zum Opfer
gefallen waren (...). Auch 33 im Juli 1996 in Mosul verhaftete
Jeziden,
(...) Während des Berichtsjahres gingen erneut Meldungen über
Fälle von »Verschwindenlassen« ein, deren Zahl jedoch nicht genau
beziffert werden konnte.«
amnesty international:
Jahresbericht 1998;
Irak (Republik)
Berichtszeitraum: 1. Januar - 31. Dezember 1997
Auch in einer Sendung, die von
dem kurdischen Fernsehsender „KurdSat“ im August des Jahres 2000
über den Şêxanregion (Schechan) live gesendet wurde, hat der
Moderator einen als Gastredner anwesenden Pîr der Êzîdî die Frage
nach der Volkszugehörigkeit der Êzîdî gestellt: „Zu welchem Volk
die Êzîdî nun gehörten, denn der Saddams Regime behauptet, dass
die Êzîdî Araber sein und die meisten Êzîdî sagen, dass sie
Kurden sind“
»Wir sind Kurden, daran besteht kein
Zweifel. So der Pîr. Unsere Gebete und Qewwls sind auf
kurdisch, wir sprechen kurdisch und wir leben in Kurdistan. Daran
kann niemand zweifeln. Es ist richtig, dass der Regime dies
behauptet. Dazu haben sie auch ezidische Geistlichen gezwungen,
dies zu bestätigen, aber sie wollte damit nur die Teilung des
kurdischen Volkes erreichen um sie so zu schwächen. Das wurde
dadurch deutlich, als den Kurden eine Autonomie in Aussicht
gestellt wurde, dann erklärte das Regime, dass auch wir Araber
seien. Aber als diese Autonomie in die Ferne rückte und statdesen
die Verfolgung des kurdischen Volkes begann, dann ist kein
Unterschied zwischen uns und den übrigen Kurden gemacht worden.
Auch dann nicht, als der Regime 1975 mit der Deportation des
kurdischen Volkes begann. Also, jedes Mal, wenn es hieß, dass die
Kurden mehr rechte bekommen sollten, dann würden wir als Araber
abgestempelt und wenn die Kurden verfolgt wurden und das Regime
mit der Vernichtung aller Kurden begann wurde auf uns nicht die
geringste Rücksicht genommen.«
Noch immer dauert die Flucht
von Êzîdî aus ihrem Hauptsiedlungsgebiet und für sie heiliges
Land,
Şingal und Şêxan, wo auch das
Heiligtum Laliş liegt, an. Es ist eine Frage der Zeit, dass auch
hier der letzte Êzîdî einpackt und das Heiligtum, für dem
Millionen Menschen ihr Leben geopfert haben und in ihre qualvolle
Geschichte mehrmals zerstört und wieder aufgebaut worden ist, dem
endgültigen Zerfall überläst. Noch wird hier gefeiert und Lichter
werden angezündet, aber wie lange werden die Letzten aushalten
können?
Auf eine Hilfe von Außen haben
sie auch längst aufgehört zu hoffen. Das Öl, das aus ihrem Land
fließt gehört ihnen nicht und deshalb sind sie auch uninteressant
für „Großmächten“ dieser Welt, denn ihnen gehören bereits neben
dem Öl auch alle anderen Boden- und Kulturschätze Kurdistans. Das
sah 1990 in Kuwait anders aus. Prompt haben die so genanten
„Alliierten“ (Amerika, England, Frankreich, die Türkei, Israel
und einige arabische Länder z. B.: Saudi Arabien) mit Krieg
reagiert, als Saddam Hussein seine Arme am 2. August 1990 in
Kuwait einmarschieren ließ. Am 6. August 1990 haben die Vereinten
Nationen internationale Sanktionen gegen Irak verhängt. 17.
Januar 1991 hat eine internationale Allianz unter der Führung der
USA Ziele im Irak und Kuwait aus der Luft angegriffen. Wenige
Monate später war Saddams „starke Armee“ von den Alliierten
besiegt und müsste sich am 25. Februar 1990 aus Kuwait
zurückziehen. Aber der krieg war längst noch nicht zuende,
zumindest nicht für Kurden und schiitische Araber des Landes.
Dieselbe Armee dürfte weiterhin eigene Mitbürger, Kurden im
Norden und Schiiten im Süden des Ladens erbarmungslos bekriegen
und hinschlachten. Aber die Alliierten waren wieder aus dem Lande
und wollten sich „nicht in die Angelegenheiten des irakischen
Landes einmischen“. So die offiziell Begründung auf die Frage:
warum man den Schützlosen Menschen dieses Landes, die seit dem
Bestehen dieses Landes verfolgt und massakriert werden, nicht
hilft?
Gegen den Diktator Saddam und
sein Land haben die Alliierten ein Embargo auferlegt, damit genau
das erreicht wird, was das Regime seit ihrem Bestehen angestrebt
hatte und selber auch mit Giftgas nicht schaffen könnte, Chaos
und Elend unter der Zivilbevölkerung. Unter dem Druck der Medien
und viele Menschenrechtsorganisationen wurde das irakische Land
virtuell gedrittelt. In sogenannte „Schutzzonen für die von
Regime Unterdruckten Bevölkerung“, im Suden, schiitische Araber
und im Norden die Kurden. Auch hierbei wurde das tatsächliche
Kurdenland im Irak nochmals gedrittelt, die Êzîdî blieben zu 80%
(nach anderen Quellen 90%) weiterhin unter die Macht des
Diktators, Saddam Hussein. Die anderen 20%, (nach anderen Quellen
10%) die sich auf dem „geschützten Zone“ befanden, hatten
keineswegs einen Grund zur Freude, den ihnen traf natürlich das
Embargo doppelt so hart. Das Embargo umfast das gesamte irakische
Territorium und dass der Diktator seinerseits ebenfalls ein
Embargo auf die beiden „geschützten Zonen“ erlassen hat, kam
nicht unerwartet. Kein Mensch wäre so naiv zu glauben, dass der
Diktator ausgerechnet den Bürgern seines Landes, die er bis dahin
mit allen ihm zu Verfügung gestandenen Mitteln (z. B. Giftgas)
bekämpfte, helfen würde und für sie nach dem Krieg sorgen wird.
Zu dem kommt erschwerend
hinzu, dass wehrend sich die beiden stärksten kurdische Parteien
(KDP und PUK) bekämpfen, die stark religiöse Parteien zusehends
Einfluss auf die Bevölkerung gewinnen und diese in ihren
Predigten in den Moscheen gegen die Êzîdî hetzen. Sie verbreiten
Gerüchten, dass die Êzîdî „gottlos“ und für die schlimme Lage der
Hurden verantwortlich seien und jeder Umgang mit ihnen für einen
gläubigen Moslem eine schwäre Sünde ist. Da die in diese
Schützzone regierenden Parteien mit ihren inneren Kämpfen genug
zutun haben und deshalb den Êzîdî nicht die notwendige Schutz
gegen moslemische Fanatiker gewähren können, bleiben diese den
Schikanen der Moslems machtlos gegenüber. Sie werden immer
häufiger gewaltsam angegriffen, ihre Mädchens und Frauen werden
entführt und gewaltsam zum Islam bekehrt.
Die Schlagzeilen über die mit
Menschen (Flüchtlingen), Kinder Frauen, alt und jung und die
meisten von ihnen krank, völlig überfühlten Schiffswracks, die
wöchentlich vor den Küsten Griechenlands Frankreichs und Italiens
stranden, auf Grund gelaufen, gehören zum alltäglichen Geschäft
der europäischen Medien. Nein, man sollte nicht meinen diese
Medien berichten und schreiben deshalb über diese Unglücklichen,
weil sie die Weltöffentlichkeit über ihre unmenschliche Lage
aufmerksam machen wollen, mit der Hoffnung irgendein Politiker
werde sich daraufhin für ihre Rechte einsetzen. Nein ganz im
Gegenteil. Genau das Gegenteil davon will man dabei ereichen. Die
Überschriften beweisen es. Die meisten fangen mit den Worten:
„Die Küstenwache ... hat eine mit illegalen Einwanderern
überfüllten, von der Besatzung verlassenes Schiffswrack
aufgegriffen.“ Also, mit der Bezeichnung „illegale Einwanderer“
meint man Menschen die alles aufgegeben haben, die sich auf
dieser schrecklichen Art und Weise auf dem Weg machen mit der
Hoffnung irgendwo auf dieser Welt, auf der auch sie geboren sind,
einen verfolgungsfreien Ort für sich und ihre Kindern zu finden.
Das Wort „illegale Einwanderer“ soll die Einheimischen davor
warnen und ihnen ein Hinweis geben, dass Fremde auf krimineller
Weise in ihrem Territorium eindringen wollen. Die Flüchtlinge
werden damit bereits vor ihrer Ankunft zur Kriminelle
abgestempelt, weil sie versuchen ihren nachten Leben zu retten,
und wenn sie wie durch ein Wunder das Land lebend erreicht haben,
dann wundern sich die gleichen Klatschspaltenschreiber, dass die
Heime dieser Unglücklichen von den „Einheimischen“ angegriffen
und mit Brandbomben beworfen werden und dass sie auch auf offener
Strassen zu Tode gehetzt werden. Das Entsetzen ist um so großer,
wenn diese „Helden“ von außerhalb kommen, dabei wird vielleicht
den einen oder den Anderen Politiker geben, der oder die sich
ebenfalls darüber freut/ freuen. Auch diese haben schließlich
diese gehirnlose „Helden“, Brandstifter wortkräftig mit Kompanien
wie: „Kinder statt Inder“, „Deutsche Leitkultur“ etc. und nicht
selten darüber hinaus tatkräftig wie: z. B. gegen die
Einbürgerung von Fremden, Nichteinheimischen, die man auch gerne
„Ausländer“ nennt, auch wenn sie hier geboren und aufgewachsen
sind, Unterschriften sammelt, damit diese nie vollwertige
Mitglieder dieser Gesellschaft werden dürfen, ermutigt.
In solch einem Schiffswrack
befanden sich im Frühjahr 2000 auch 15 Êzîdî, die meisten von
ihnen Kinder, aus dem Irak als ihr Schiff unter mysteriösen
Umständen im ägäischen Meer unterging. Alle sind dabei
umgekommen. Sieben von ihnen waren engste Verwandten von dem
religiösen und weltlichen Oberhaupt aller Êzîdî Mir Tahsin Beg.
Sein Neffe und die Familie dessen Bruder (die Frau und ihre fünf
Kinder). Der Vater wartete bereits in Deutschland auf sie und
hoffte auch sie bald, lebend bei sich zu haben.
Auch in diesen Tagen sind die
Kurden abermals das Hauptthema der Weltpresse. Am
Samstag 17. Februar 2001 erreichte die folgende Nachricht die
Erdbevölkerung.
Flüchtlingsdrama vor der südfranzösischen Küste
Mit der Strandung ihres
Schiffes vor der Küste Südfrankreichs ist für rund 900 Kurden
eine lange Fluchtweg Richtung Europa vorläufig beendet / gestoppt
worden. Nach Angaben der französischen Behörden hatte der Kapitän
den verrosteten Frachter in der Nacht zum Samstag absichtlich an
der Riviera stranden lassen. Er und die Mannschaft hätten sich
danach abgesetzt und die Menschen an Bord, darunter 300 Kinder,
ihrem Schicksal überlassen. Ärzte und Helfer fanden an Bord
katastrophale Verhältnisse vor. Die Flüchtlinge, die nach eigenen
Angaben fast alle aus dem Irak stammen, wurden zunächst in ein
Notaufnahmelager gebracht. ...
Saint-Raphael (Reuters)
Bis auf wenige kurdische
Moslems waren diese Flüchtlinge alle Êzîdî aus dem Irak und der
Syrien.
Ähnliches hat sich mehrmals
wiederholt, dazu noch ein Beispiel.
»Donnerstag 5. Juli 2001
Hunderte Flüchtlinge von italienischer Marine geborgen
Crotone
(Reuters) - Die italienische Marine hat am Mittwoch von einem
Schiff im Ionischen Meer rund 650 Menschen geborgen, die offenbar
illegal nach Italien einwandern wollten. Das Schiff habe ohne
Treibstoff und mit einem Leck rund hundert Kilometer vor der
Südostküste Italiens getrieben und Notsignale gesendet, sagte ein
Marinesprecher. An Bord seien überwiegend Kurden gewesen. Eine
Marine-Fregatte habe die meisten Passagiere in den Hafen von
Crotone gebracht, sagte der Sprecher. Nur acht Personen mit
gesundheitlichen Beschwerden - darunter auch eine hochschwangere
Frau - seien von einem Schnellboot an Land gebracht worden.
Zunächst war nicht klar, unter welcher Flagge das
Immigrantenschiff fuhr. «
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